Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)
keine.
Nur im Schlafzimmer, aber das war eine befestigte Auslegeware.«
»Das ist mir auch schon aufgefallen«, bestätigte
Nachtigall. »Der Gegenstand, den wir suchen, muss sehr dünn oder sehr klein sein.
Denn sonst könnte man ihn nicht unter einem Teppich verstecken.«
»Das Amulett?«, spekulierte Wiener. »Solch
ein Schmuckstück könnt’ man leicht unter den Teppich schiebe’.«
»Möglich. Aber irgendwie dachte ich immer,
es sei dicker. Allerdings haben wir das die Zeugen nie gefragt, es schien bisher
nicht so wichtig zu sein.«
»Bei unseren Überlegungen sind wir davon
ausgegangen, der Mörder habe Claudine Caro das Amulett vom Hals gerissen – das deckt
sich ja auch mit dem Obduktionsbericht. Wenn wir nun aber annehmen, der Mörder von
Meinert Hagen und Beate Michaelis suche nach diesem Schmuckstück, bedeutet das,
wir haben es nicht nur mit einem, sondern mit zwei Mördern zu tun«, kombinierte
Nachtigall.
»Zwei?« Albrecht Skorubski war ehrlich entsetzt.
»Na ja. So muss es nicht sein. Wir sind
noch immer nicht mit der Rekonstruktion von Hagens Nachmittag fertig – Michael,
versuche bitte herauszufinden, wann er nach Hause kam und so weiter. Albrecht und
ich besuchen noch einmal die Freunde. Albrecht, du fährst bitte zu Norbert Grundmann
und Kristina Morgental. Ich besuche Kirk Damboe und Heide Fischer. Besprechung wie
immer. Bis dahin wird vielleicht auch Emile hier sein. Obduktion? Na ja. Sehen wir
dann!«
»Ach – Angelika Wiesendorf hat den Computer
von Claudine Caro geknackt. ’s Passwort war Pommes! Na, egal. Auf dem Computer sind
nur abgetippte Mitschriften der Vorlesungen, das eine oder andere Referat. Alle
Mails hat sie gelöscht. Der Computer birgt keine Sensationen. Schade.« Wiener legte
den Bericht der Kollegin zur Seite. »Ist schon krass. Wir finden eine Tote mit sechs
Freunden – und nun gibt es nur noch vier.«
»Alle sind gewarnt«, warf Albrecht Skorubski
ein.
»Das ist so eine Sache. Wir wissen ja nicht,
wovor und vor wem wir sie warnen sollen. Da ist es schwierig, wirkungsvoll auf sich
aufzupassen.«
»Aber das gleiche Problem hatte Claudine
ja auch. Deshalb war sie immer erst einmal misstrauisch.«
Michael Wiener stellte sich vor die Pinnwand,
an der kaum noch Platz für neue Fotos war. »Auf den Fotos von Beate sieht Claudine
entspannt und glücklich aus. Keine Spur von Misstrauen oder Angst.«
»Ja, das ist auffällig. Und ich glaube,
ich kann erklären, warum das so ist«, meinte Nachtigall.
»Aha. Auch Miss Marple?«, grinste Wiener.
»Nein – eher Sherlock Holmes. Sie sitzen
hier auf einer Wiese. Drumherum gibt es weder Bäume noch Büsche, Häuser oder Schuppen.
Du hast freie Sicht, es kann sich niemand ungesehen ranpirschen. Sie hatte tatsächlich
in dieser Situation keine Angst.«
»Und warum sagst du das so bedeutungsschwer?«
»Weil es nur ein weiterer Beweis dafür ist,
dass sie sich zwar gegen einen Puppenzauber zu wehren versuchte – aber vor einem
Menschen aus Fleisch und Blut Angst hatte.«
»Ich denke, wir sollten auch die Tante noch
einmal befragen. Ich kann nicht glauben, dass Claudine sich nicht an die einzige
Verwandte in diesem fremden Deutschland gewandt haben soll«, überlegte Michael Wiener
laut.
»Wenn sie aber einen Zauber aus der Heimat
befürchtete, hat sie womöglich jedem misstraut, der mit Haiti in Verbindung stand.
Vielleicht ist das der Grund dafür, warum sie auch keinen Kontakt zu ihrer Freundin
Serafine aufgenommen hat. Du weißt ja bei solchen Sachen nie, wer sich gegen dich
richtet.« Dann fiel ihm etwas ein. »Oh, Michael – kannst du vielleicht auch herausfinden,
wo die nächste Voodoo-Société zu finden ist und wie ihr Priester heißt?«
»Ich denke, das weiß ich schon«, er suchte
auf seinem Schreibtisch und hielt dann triumphierend einen gelben Klebezettel hoch.
»Robin Lang hat mir das aufgeschrieben. Er vermutete wohl, dass dich das interessieren
würde. Die nächste ›Gemeinde‹ ist in Erfurt, und der Priester heißt Papa Desmond.«
47
Das Team machte sich an die Arbeit.
Peter Nachtigall suchte Heide Fischer im
Fast-Food-Restaurant auf.
Sie zog sich mit dem Hauptkommissar in den
Umkleidebereich zurück.
»Claudine war durchaus fröhlich, aber eben
auch verschlossen. Besonders, wenn es um private Themen ging. So, als habe sie Sorge,
zu viel von sich zu verraten. Aber das mag ja kulturell bedingt sein. Bei uns ist
es ja direkt Mode geworden, ständig jedermann über seine Probleme auf dem
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