Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)
Grunde, grübelte der junge Mann und starrte
ins Dunkel, im Grunde kamen so viele für die Morde doch gar nicht infrage. Es musste
der Polizei doch möglich sein herauszufinden, wer dahintersteckte. So schwierig
konnte das doch gar nicht sein!
Auch Nachtigall lag in dieser Nacht wach.
Wenn nun keine weiteren Morde mehr begangen
wurden, hatte er sich getäuscht und der Täter gefunden, was er suchte. Die Auswertung
der Fingerspuren ergab bisher keine Hinweise auf die Identität des Mörders. Es fanden
sich so viele Abdrücke, dass es monatelang dauern konnte, sie auszuwerten. Schließlich
arbeitete Beate Michaelis neben ihrem Studium als Wahrsagerin.
Er schloss die Augen und riss sie gleich
wieder auf.
Beates Gesicht!
Wenn er das geheimnisvolle Ding gefunden
hatte, warum war er dann so wütend über sein bereits totes Opfer hergefallen? Aus
Wut, weil er so lange vergeblich an den falschen Stellen gesucht hatte? Aus Zorn
darüber, dass er noch einmal hatte töten müssen?
Still lauschte er auf Connys ruhige Atemzüge.
Drei Tote, ein Verletzter – ein Täter –
und keine Lösung des Falles in Sicht!
»Fangen wir noch einmal von vorne an!«, verlangte er am
nächsten Morgen, als er mit Skorubski auf dem Gang zusammentraf. »Wir haben etwas
übersehen. Bestimmt.«
»Die Außenbeleuchtung war nicht kaputt –
jemand hatte die Glühlampe in der Fassung gelockert. Deshalb war der Hof vor dem
Haus in der Comeniusstraße stockdunkel«, erklärte Skorubski.
»Claudine Caro. Sie ist der Ausgangspunkt«,
meinte er dann. »Alle nachfolgenden Opfer hängen mit ihrem Tod zusammen.«
»Wissen wir das, oder glauben wir das nur?«
»Ihre Wohnung wurde nicht durchsucht.«
»Genau. Stellt sich die Frage, warum nicht?«
»Bisher gingen wir davon aus, der Täter
wusste, dass sie das Gesuchte immer bei sich trug.« Wiener sah Nachtigall überrascht
an. »Stimmt das nicht?«
»Der Täter hatte nach dem Mord genug Zeit,
die Tasche zu durchwühlen. Das Ding war nicht darin. Und was macht er dann? Es wäre
doch so einfach gewesen, den Schlüssel zu nehmen und in ihrem Zimmer zu stöbern.
Warum tat er das nicht?«, insistierte Nachtigall. »Es blieb ihm doch die ganze Nacht
Zeit dazu.«
»Aber das ahnte er ja nicht. Wir hätten
jederzeit aufkreuzen können. Ihm war das Risiko, entdeckt zu werden, zu hoch«, spekulierte
Wiener. »Abgesehen davon, dass jeder dort weiß, wer in welchem Zimmer wohnt. Wäre
ein Fremder vor ihrer Tür erwischt worden, hätte man ihn später sicher identifizieren
können.«
»Zu auffällig«, bestätigte auch Skorubski.
Nachtigall stierte auf einen angetrockneten
Kaffeefleck auf der Tischplatte.
»Nein, das genügt mir nicht als Grund. Schließlich
hat ihn Angst vor Entdeckung auch bei den anderen Wohnungen nicht abgeschreckt.«
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»Gut, dass ihr kommt – mir ist da was ei’g’falle!«, Michael
Wiener sprang von seinem Stuhl auf und lief auf die Kollegen zu. »Gestern, als ich
mit Marnie im ›Stadtwächter‹ saß. In Baden-Württemberg gab es vor einige’ Jahre’
einen Fall von Menschenhandel, in den Westafrikaner verwickelt ware’. Ich denk,
das war in Freiburg. Sie habe’ Frauen ins Land geschleust, diese zur Prostitution
gezwunge’ und das Geld abg’schöpft. Die Frauen, die von der Polizei aus dieser Lage
befreit wurde’, habe’ nur sehr wenig ausg’sagt. Aber klar war, dass ein Ritual eine
Rolle spielte. Die Frauen ware’ so eingeschüchtert, dass bei den Ermittlungen nie
ganz geklärt werde’ konnte, wie das Geschäft genau ablief.«
»Nimm Kontakt mit den zuständigen Freiburger
Ermittlern auf. Versuche, so viel an Informationen zu bekommen wie nur möglich!
Das ist doch ein Ansatz. Die Kollegen glauben ohnehin, dass Frau Alvarez illegal
Frauen beschäftigt.«
»Vielleicht sollten wir Serafine noch einmal
befragen – sie kann uns bestimmt mehr dazu erzählen«, meinte Skorubski.
»Nein«, widersprach Wiener. »Sie wird dir
gar nichts sage’. Wenn sie sich da einmischt, muss sie Deutschland womöglich schneller
verlasse’, als ihr lieb ist. Das wird sie sicher nicht riskiere’. Frau Alvarez ist
ihre Anlaufadresse hier, vergiss das nicht!«
Nachtigalls Telefon klingelte.
»Robin Lang. Mir ist noch etwas eingefallen,
Herr Nachtigall. Vor ein paar Wochen hat der Überfall auf einen Tempel für große
Aufregung auf Haiti gesorgt. Es wurde ein Priester getötet, und die Täter entwendeten
heilige Gefäße.«
»Heilige Gefäße? Wie könnte das mit
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