Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)
Nachtigall unzufrieden über seinen
Notizen.
Nun hatte der Fall noch mehr lose Enden
bekommen, die er nicht verknüpfen konnte.
Wenn er davon ausging, der Mörder glaube
an Voodoo – wer blieb denn dann noch vom Kreis der Menschen übrig, die mit Claudine
bekannt waren?
Frau Treschker. Da gab es gar keinen Zweifel.
Die Dämonenfalle hinter dem Vorhang war Beweis genug.
Kirk Damboe? Nachtigall schüttelte den Kopf
und knurrte unwillig. Religionszugehörigkeit manifestierte sich schließlich nicht
in der Hautfarbe. Sie würden ihn nach seinen Kenntnissen über Voodoo befragen müssen.
Kristina Morgental? Über diese junge Dame
wussten sie nur wenig. Dort mussten sie nachhaken.
Norbert Grundmann? Konnte man sich eine
so schwere Verletzung selbst beibringen – oder schloss der Winkel, in dem der Schlag
geführt worden war, so etwas von vornherein aus? Wäre dann nicht die Waffe in der
Nähe des Tatorts zu finden gewesen? Die Wohnung hätte er natürlich schon vor dem
Kinobesuch in diesen Zustand bringen können, um seine Täterschaft zu verschleiern.
Und der verschwundene Hausschlüssel konnte auch in der Nähe des Kinos versteckt
worden sein.
»Albrecht!«, rief er dem Kollegen zu, der
gerade über den Gang lief. »Wir haben doch bei Norbert Grundmann gar keine Eintrittskarte
fürs Kino gefunden, oder?«
»Nein«, bestätigte Skorubski. »In der Kleidung
auch nicht – ich habe den Bericht vorhin gelesen, als du bei Frau Treschker warst.
Keine verwertbaren Spuren, die uns auf die Fährte des Täters brächten, keine Kinokarte.
Aber die kann er ja auch direkt nach dem Film weggeworfen haben.«
»Fragen wir ihn!«
63
Norbert Grundmanns Bett war verwaist, das Zimmer leer und
der Beamte, der vor der Tür Wache halten sollte, verschwunden.
Albrecht Skorubski konnte feststellen, dass
die in der Literatur oft verwendete sprachliche Wendung stimmte. Man konnte von
einer Sekunde auf die andere aschfahl werden. Nachtigall sah jedenfalls völlig blutleer
aus.
»Wer hat angeordnet, dass der Beamte abgezogen
wird? Habe ich da was verpasst?«, flüsterte der Hauptkommissar. Dann lief er rot
an und polterte: »Ich habe es ja gewusst! Das funktioniert nie!«
Fluchend rannte er über den Gang auf der
Suche nach einer Schwester.
Skorubski untersuchte in der Zwischenzeit
das Krankenzimmer.
Nichts erweckte den Eindruck, der Patient
sei überwältigt oder verschleppt worden. Eine Zeitung lag sorgfältig gefaltet auf
dem ordentlich gemachten Bett, auf dem Nachttisch stapelten sich Studienunterlagen,
daneben kuschelten sich mehrere Bleistifte an einen gelben Marker. Norbert Grundmann,
der leichtsinnige Draufgänger, bekam plötzlich Züge eines Pedanten. Selbst in der
Schublade herrschte Ordnung. Persönliche Dokumente, der Größe nach geordnet aufeinandergelegt,
Medikamentenblister, ebenfalls nach Größe sortiert.
»Und so einer geht in einen Action-Film?«
Skorubski schüttelte den Kopf und trat auf den Gang hinaus.
Und dort sah er ihn.
Der Kollege Wilhelm Mauke schob den Patienten
Norbert Grundmann in einem Rollstuhl durch die Flure des Klinikums.
»Ja, was sollte ich denn machen?«, fragte
der Polizist überrascht darüber, welchen Wirbel die Abwesenheit des Patienten ausgelöst
hatte. »Er musste zu einigen Untersuchungen, Narkosesprechstunde und so weiter.
Da ich ja eh nicht von seiner Seite weichen darf, dachte ich, ich bring ihn gleich
selbst dort vorbei. Meine Frau arbeitet im Klinikum, ich kenne mich hier aus.«
Nachtigalls Gesicht nahm langsam wieder
normale Färbung an.
»Mann! Wir dachten schon das Schlimmste.«
»Ach, da seien Sie mal unbesorgt. Austricksen
funktioniert nur im Roman. Im wahren Leben gehen wir nicht los und holen uns einen
Kaffee«, grinste Mauke.
»Herr Grundmann, wir haben in der Nierenschale
mit Ihren persönlichen Dingen und Ihrer Kleidung keine Kinokarte gefunden«, wandte
sich Nachtigall an den Zeugen, der während der vorangegangenen fachlichen Diskussion
amüsiert von einem zum anderen gesehen hatte. »Wissen Sie noch, was Sie damit gemacht
haben?«
»Wann waren Sie denn zum letzten Mal im
Kino?«, fragte Grundmann zurück, erhielt darauf aber keine Antwort. »Nun gut. Die
Kinokarte ist ein Gutschein. Man kann dafür bei ›McDonald’s‹ bestimmte Gerichte
günstiger bekommen. Als ich rauskam, stand eine Gruppe Jugendlicher im Foyer. Einem
der Typen habe ich meine Karte überlassen.«
»Gut. Gehen Sie regelmäßig ins Kino? Gibt
es dort jemanden, der Sie kennt? Zum
Weitere Kostenlose Bücher