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Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)

Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)

Titel: Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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wenn sie
nicht gerade Burger verkaufte. Sein sympathisches Lächeln veranlasste sie, ihm mehr
von sich zu erzählen, als sie es üblicherweise tat. Zum Abschied bot er ihr fröhlich
seine Hilfe bei den Englischhausaufgaben für ihren Volkshochschulkurs an, wenn er
im Gegenzug einen Burger-Rabatt bekäme, und schob ihr seine Visitenkarte zu.
    Sie musste ihre gesamte Brieftasche ausräumen
und entdeckte die Karte mit seiner Telefonnummer zwischen der Krankenversicherungskarte
und dem Führerschein.
    Wahrscheinlich wusste er nicht mehr, wer
sie war. Nun, dachte sie entschlossen, dann musste die Erklärung eben ein wenig
ausführlicher ausfallen!

62
     
    »Warum haben Sie behauptet, Sie seien mit Claudine Caro
verwandt?«, herrschte Peter Nachtigall Frau Treschker an.
    Die angebliche Tante zeigte sich wenig beeindruckt.
    »Weil es für Claudine so besser war«, gab
sie mit stolz erhobenem Kopf zurück.
    »Inwiefern?«
    »Es hat das ganze Einreisetheater vereinfacht.«
    »Und wer ist Claudine nun wirklich?« Nachtigall
konnte seinen Zorn nicht verbergen, und er wollte es auch nicht. Er ließ sich nicht
gerne an der Nase herumführen und nahm es Zeugen grundsätzlich übel, wenn sie ihn
belogen.
    »Claudine war die Tochter einer Freundin.«
Frau Treschker beugte sich weit vor, und ihr intensiver Blick erlaubte kein Zurückweichen.
»Die politischen Verhältnisse in meiner Heimat sind extrem instabil. Chaotisch!
Es herrscht seit vielen Jahren eine Art Bürgerkrieg. Für junge Menschen ist es besonders
schlimm. Sie haben keine Option auf die Zukunft. Viele sehen ihre einzige Chance
darin, das Land zu verlassen – legal oder illegal. Legal ist schwierig und teuer
– illegal ist es obendrein auch noch lebensgefährlich. Ich wollte Claudine eine
Zukunft schenken – doch ich brachte ihr den Tod.«
    Nachtigall zog den Briefumschlag mit den
Fotos hervor, den er von Heide Fischer bekommen hatte. Ruhig legte er Bild für Bild
auf den Tisch im Vernehmungsraum.
    »Wer sind diese Leute?«
    Frau Treschker sah die Fotos nicht an.
    Störrisch hielt sie die Augen gesenkt.
    »Es sind zwei weitere Menschen gestorben.
Studenten wie Claudine, die ihr Leben noch vor sich hatten. Ein dritter liegt schwer
verletzt im Krankenhaus. Und Sie haben uns nichts zu sagen?«
    Peter Nachtigall stand auf und verließ wortlos
den Raum.
    Frau Treschker blieb mit den Gesichtern
allein.
     
    Später, als er seinen Bericht tippte, kreisten seine Gedanken
um die Worte der angeblichen Tante. Natürlich konnte er verstehen, dass Menschen
ein Land wie Haiti verlassen wollten, wo Regierungen in Unruhen versanken, Polizei
und Rechtsprechung nicht unabhängig agierten – aber ihn hätte sie dennoch nicht
hinters Licht führen dürfen, hätte mehr Vertrauen haben müssen.
    Das Handy unterbrach seine Überlegungen.
    »Unser Voodoo-Experte. Haben Sie neue Informationen
für uns?«
    »Ja – und ich habe den Medien entnommen,
dass es wieder einen Überfall gegeben hat. Demnach konnten Sie den Mörder noch nicht
fassen«
    »Stimmt. Wir konnten auch keine weiteren
Verbindungen zum Voodoo finden. Es ist ein verflixter Fall.«
    »Ich wollte mich ja wegen des Lochs in der
Stirn des ersten Opfers umhören. Und das habe ich auch getan. Allerdings kann ich
keine absolute Aussage treffen. Auch die Rituale des Voodoo unterliegen einer gewissen
Wandlung, es gibt viele Gruppierungen, die sich neue Regeln und Riten geben. Meine
Informanten gehen davon aus, dass dieses Loch in der Stirn dazu dient, die letzten
Erinnerungen des Sterbenden zu verscheuchen – oder in die Freiheit zu entlassen.
So wird es jedenfalls in einigen kleinen Gemeinden um Port-au-Prince gehandhabt.
Hilft Ihnen das weiter?«
    »So akut nicht – aber ich werde darüber
nachdenken.«
    »Wenn Sie erlauben, hätte ich eine Idee,
wie das mit dem Mord zusammenhängt«, äußerte Robin Lang höflich, und Nachtigall
ermutigte ihn, seine Überlegungen mitzuteilen.
    »Angenommen, der Täter und das Opfer kannten
sich gut. Dann wollte der Mörder vielleicht auf diese Weise verhindern, dass das
Opfer sich im Jenseits an ihn erinnern kann. Sie wissen ja selbst, wie sehr die
Voodoo-Anhänger von der Macht der Verstorbenen überzeugt sind. Der Täter hatte Angst,
selbst zum Gejagten zu werden.«
    »Herr Lang – das würde aber bedeuten, dass
der Mörder selbst auch Voodoo-Anhänger ist.«
    »Ja, das würde es wohl. Zumindest muss er
sich mit den Ritualen dieses Glaubens gut auskennen.«
     
    Nach dem Gespräch brütete

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