Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wortstoffhof

Wortstoffhof

Titel: Wortstoffhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
Vom Netzwerk:
Schartau sagte einmal nach für seine Partei miserablen Wahlergebnissen in Niedersachsen und Hessen, was die Sozialdemokraten nun tun müssten: »Eier dürfen nur noch gezeigt werden, wenn sie gelegt sind, und nicht, wenn man noch dabei ist, sie auszubrüten.«
    Tag für Tag habe ich damals versucht, diese Worte zu kapieren; es gelang mir nicht. Dann wollte ich den Satz vergessen – unmöglich. Er ließ mich nicht los.
    Was, um Himmels willen, sollte die SPD tun?
    »Eier dürfen nur noch …«
    Alle wissen, dass Eier zuerst gelegt, dann (nicht in jedem Fall!) ausgebrütet werden. Schartau formulierte aber, als wäre es umgekehrt. Konnte es sein, dass Schartau etwas nicht wusste? Oder wie wäre es gewesen, er wollte sagen, das Heil der Partei liege in einer radikalen Agrarreform, der Schaffung neuer Hühner, die erst brüten, dann legen? Hmmmm. Es ist ja der Mensch, der Eier im eigenen Leib, wenn man so will, ausbrütet. Dann erst Nachkommen zur Welt bringt und der Welt »zeigt«. Schartau meinte, dachte ich eine Weile: Lasst uns menschlicher werden, eine humane Partei! Lasst uns kein Hühnerhaufen sein!
    Dann fiel mir ein: Was der Mensch zeigt, ist ja kein Ei mehr. Es ist ein fertiges Lebewesen. Und das menschliche Ei selbst kann nicht gezeigt werden – es befindet sich im Mutterleib. Der Satz wäre unlogisch, dachte ich, aber solche Unlogik würde sich doch kein führender SPD-Politiker je erlauben. Was aber wollte jener Schartau dann sagen?
    Natürlich war der Begriff »Ei« metaphorisch zu sehen: Er deutete auf die ungeheure Fruchtbarkeit der SPD hin, ihren Reichtum an Ideen, ihre in Jahrhunderten gewachsene, geradezu hybride politische Legeleistung. Ei heißt Reform, Idee. Doch es bleibt: Erst wird gelegt, dann gebrütet.
    Es gibt eine Fabel von La Fontaine, in der ein Huhn täglich ein goldenes Ei legt. Der Besitzer jedoch ist gierig. Meint, in seinem Huhn stecke ein Schatz. Erwürgt das Tier, öffnet dessen Leib und zerstört damit seinen Reichtum. Könnte es sein, dachte ich, dass Schartau sich auf diese Geschichte bezog? Dass er mit »ausbrüten« die Zeit meinte, in der das Ei noch im Huhn steckt, ein Versehen in der Hektik des damaligen Wahlabends?
    Was würde das bedeuten?
    Lasst uns nicht unsere gute alte Partei schlachten, in der viele goldene Eier stecken? Oder gar, weiter gefasst: Wir müssen sorgsamer mit dem Staat umgehen, der uns reich machte? Und was bedeutet der unausgesprochene Bezug auf La Fontaine für das Verhältnis zu jenem Lafontaine, der auch dies und jenes ausbrütete?
    Ja, das war eine Zeit, in der Politiker so subtil, andeutungsreich, bildvoll-verrätselt zu uns sprachen!
    Müntefering war ja übrigens seinerzeit auch der Erste, der erkannte, welch verheerende Wirkung von den Hartz-Reformen einfach deshalb ausging, weil sie »Hartz-Reformen« hießen, so »lautmalerisch hart«, wie dann auch Bela Anda,der Regierungssprecher, einsah. Man stelle sich vor, die Sache wäre nicht nach Peter Hartz, sondern nach Rudi Völler oder dem damals äußerst beliebten Fußball-Nationalspieler Robert Huth (»Huuuuth«, raunte das Publikum, wenn er den Ball bekam) benannt worden, die »Rudi-Projekte« oder »Huuuuth IV«, vielleicht hätte Schröder gar nicht nach dem Vertrauen fragen müssen. Vielleicht hätte er lange weiterregieren können?
    Als es aber dann zu Ende ging mit ihm und seiner Regierung, da spürte man das zuallererst an Franz Müntefering und seiner Rede. Die SPD befürwortete zum Beispiel in ihrem Wahlmanifest eine Sondersteuer für Reiche, drei Prozent extra, zusätzlich zum Spitzensteuersatz.
    Was sagte Müntefering?
    »Es ist ein Balkon, der obendrauf gesetzt wird.«
    Balkon? Obendrauf? Wer sollte das verstehen?
    Dabei ging es um eine einfache und gute Sache, bei der drei Prozent auch nur ein Anfang hätten sein können. Wenn nämlich jene 12.400 Bundesbürger, die ein Durchschnittseinkommen von 2,7 Millionen Euro verdienen, im Jahr nicht bloß pro Nase 1,1 Millionen Einkommenssteuer zahlen müssten, sondern einfach alles, alles, alles abzugeben hätten, kämen – so habe ich errechnet – jedes Jahr ungefähr 20 Milliarden Euro zusätzlich in die Staatskasse. Das war zum Beispiel beinahe die im Haushalt 2006 eingeplante Neuverschuldung. Der Staat wäre auf dem Weg zur Sanierung gewesen. Und den Millionären würde doch dieses Abgeben nichts ausmachen. Sie haben bestimmt was zurückgelegt, das kann man von Millionären mit Fug und Recht erwarten.
    Diese Politik hätte man nur

Weitere Kostenlose Bücher