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Wortstoffhof

Wortstoffhof

Titel: Wortstoffhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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deeply.«
POPPENCORKEN
    Nicht zu überbieten eigentlich der Brief von Herrn S. aus Neufahrn, der vor einer Weile im Mittleren Westen der USA war, in einer Gegend mit vielen deutschstämmigen Amerikanern, die sich, wie folgender Text enthüllt, offensichtlich gelegentlich nicht zwischen Deutsch und Englisch entscheiden können. Jedenfalls kopierte S. für mich den Text eines Schildes an einer Baumwollpflückmaschine, mit dessen Hilfe Unbefugte davon abgehalten werden sollen, an dem Apparat herumzufingern.
    »ACHTUNG! Alles Touristen and nontechnishen Lookenpeepers! Das Machine Control ist nicht für das Gerfingerpoken und mittengraben! Oderwise is easy to schnappen der Springenwerk, Blowenfusen und Poppencorken mit Spitzensparken. Der Machine is diggen by Experten only. Ist nicht für Geverken by Dummkopfen. Das Rubbernecken Sightseenen keepen das Cotton Picken Mittens in das Pockets. So Relaxen und Vatchen das Blinkenlights.« Als ich dies eines Tages in einem Kolumnentext veröffentlichte, bekam ich zahlreiche freundliche Briefe, in denen darauf hingewiesen wurde, dass es sich hier um ein in den USA kommerziell vertriebenes Schild handele, mit dem man sich über die deutsche Sprache im Allgemeinen und den deutschen Akzent im Besonderen lustig mache.
    Das ist natürlich wichtig zu wissen. Andererseits nehmen wir im Wortstoffhof eben alles. Dazu sind wir gesetzlich verpflichtet.
PURMASCCHINE
    Nach langem Grübeln bin ich zu dem Schluss gekommen, dass wir alle tief in uns einen Wunsch nach Schildern hegen, nach Hinweisen, Anweisungen, ja, nach Hinweisungen … Denn unser Leben ist von oberflächlicher Sinnhaftigkeit angefüllt, jedoch nicht erfüllt. Und wir brauchen Schilder, die uns Rätsel aufgeben, die in unser Dasein ragen wie Brücken aus dem Nichts, ja, die uns frei machen von Rationalität und Sinn und bereit machen für die Berührung mit dem Nirwana, dem großen Blabla …
    Ich will Beispiele nennen. Frau P. schrieb mir, im Müllraum ihres Hauses hänge ein Schild, auf dem steht: »Bitte schließen Sie die Biotonne nicht nur aus hygienischen Gründen.« Hier haben wir ja geradezu unsere Aufgabe im Leben formuliert: Es kommt nicht nur darauf an, etwas zu tun, sondern auch darauf, aus welchen Gründen man es tut . Frau P. aber schließt nun jeden Tag die Biotonne, ohne dass ihr ein anderer Grund zu deren Schließung eingefallen wäre. Sie grübelt, sie zweifelt, sie verzweifelt – nichts. Sie schließt weiterhin nur aus hygienischen Gründen , doch innerlich aufgewühlt, voller Fragen, suchend. Dies rührt an Großes, zweifellos.
    Wer solche Schilder hinter sich hat, ist frei und bereit für das, was Frau G. aus Hengersberg und Herr J. aus Simbach/ Inn berichteten: der Handzettel einer ungarischen »Kleinmaschinenbrigade«, die in Niederbayern Trödelsammlungen organisiert. Sie fordert auf, unter anderem Folgendes vor die Türen zu legen: »Wassenhahne, Telefone-Altkaputt-händi, (Die Reifen Paar), Spotgerate, Spielzeige-Puppen, Wrkzeuge-Purmascchine, Altkaput moped, Kettensagen-Motorziege«. Der Aufruf endet, jedenfalls Frau S. zufolge, mit den Worten:
    »Bitte keinen Sperrmüll und Abfal
    Kaput ejzen Alte eyzen Kuffen.«
    Dahinter wartet nur noch, was Leserin L. auf dem Hinterteil eines großen Lkws las: »Achtung! Bei Freifallöffnung Domdeckel öffnen sonst Vakuumgefahr!«

R
REESERRVIEREN
    Wo immer man heute anruft, spricht man erst mal mit einer Maschine. Man hört: Anrufbeantworter. Computerstimmen. Drücken Sie die 1, wenn Sie dieses wollen. Die 2, wenn Sie jenes möchten.
    In den Anfangszeiten dieser Technik wollte ich einmal Kinokarten reservieren lassen, für Paola und mich. Capote . Der lief in einem großen Kinocenter.
    Ich rief dort an. Eine Stimme kündigte an, sie werde mir zunächst alle Filme nennen, die momentan im Kinocenter liefen. Wenn ich einen Film sehen wolle, solle ich sagen: »Reservieren«, wenn ich ihn nicht sehen wolle, müsse ich das Wort »Weiter« sprechen, und wenn ich doch noch den Film sehen wolle, der zuvor angekündigt worden sei, sei »Zurück« das richtige Wort.
    »Deutliches Aussprechen der Schlüsselwörter!«, mahnte die Maschine. Freisprechanlage abschalten! Störgeräusche vermeiden!
    »Reeserrvieren!«, murmelte ich schon mal probehalber. »Weitterr! Zurrückk!«
    Nun kamen also alle Filme. Es waren viele. Capote kam als Letzter, natürlich. Das ist sicher Absicht. Sie nennen die interessanten Filme als Letzte. Warum? Ich weiß es nicht. Ich vermute, es hat was

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