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Wortstoffhof

Wortstoffhof

Titel: Wortstoffhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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nicht Küsten, nicht Fassaden, nicht die Tapa-Bars von Jerez, nichts, gar nichts. Nur in Male, der Hauptstadt der Malediven, hat man nichts malerisch gefunden, seltsam. In München gibt es so viel Münchnerisches, warum in Male nichts Malerisches?
    Kurz bevor ich einschlief, las ich ein Inserat in der Zeitschrift. Da wurde für eine Klinik geworben, in der man Schönheitsoperationen macht, »insbesondere die beliebten Brustvergrößerungen und -verkleinerungen«. Ich las: »Gegenüber dem Europa-Center befindet sich in der 4. Etage des Salamanderhauses die elegante, staatlich konzessionierte Privatklinik Lacomed für ambulante und stationäre Operationen der Klinikleiterin Frau Sema Öczan, die nebenbei noch im Fernsehen bei TD 1 moderiert…«
    Ich schlief ein und träumte von malerisch operierten Brüsten, zwischen denen eine Seele baumelte.

P
PANINI
    Seit vielen Jahren gibt es bei meinem Bäcker um die Ecke eine Art großer, länglicher Semmeln, die früher immer irgendeinen Namen hatten, den ich vergessen habe, könnte sein, dass es »Krusties« war. Ich habe das Wort nie im Leben über die Lippen gebracht, »Krusties« kann ich einfach nicht sagen, ich bekäme dann einen Lippenkrampf. Immer sage ich: »Zwei von den großen Semmeln dort.«
    Jedenfalls: Neuerdings heißen diese Semmeln »Panini«, ein Wort, das ich aber auch nicht benutze, ich weiß nicht, warum. Immer noch sage ich: »Diese großen Semmeln dort.«
    Und die Verkäuferin sagt: »Ja, Panini.«
    »Ja«, sage ich.
    Aber neulich, ich weiß nicht, warum, ging ich doch in den Bäckerladen und sagte: »Ein Panino, bitte.«
    »Des san Panini«, sagte die Verkäuferin, eine rundlichfreundliche Dame.
    »Ein Panino, zwei Panini«, sagte ich und hasste mich für meine Besserwisserei. Aber ich konnte nicht anders, es ist der Lehrer in mir, der deutsche besserwisserische Lehrer. So oft bin ich in Italien wegen meines grauenhaften Italienischs gedemütigt worden, endlich wollte ich einmal recht haben. Im Übrigen hatte nicht ich angefangen damit, sondern die Verkäuferin.
    »Einzahl, Mehrzahl, wissen Sie«, fügte ich hinzu. »Ein Cappuccino, zwei Cappuccini.«
    »Na, na, des is a Panini, bei uns is des a Panini«, sagte sie undwarf eine von den großen Semmeln in eine Tüte. »Hier hoaßen’s Panini.«
    »Hauptsache, sie schmecken!«, sagte ich und zahlte.
    »G’wiß schmeckan de«, sagte sie und gab mir Kleingeld heraus.
    Hinter mir hatte ein kleiner dicker Mann mit Halbglatze den Laden betreten. Er trug eine kurze Hose und ein rot kariertes Baumwollhemd.
    Die Verkäuferin sah an mir vorbei zu ihm und rief: »Ciao, bello!«
PFLUSSFERD
    Pferd – das ist eigentlich schwer auszusprechen, nicht wahr? Fast alle Leute sagen: Ferd.
    Und dann erst: Flusspferd. Unwillkürlich sagt man Pflussferd, und im Grunde passt das auch besser zu dem Tier, das wenig Pferdehaftes hat, dafür viel Zylindrisch-Klobiges, Walzenförmig-Ungeschlachtes, ein Pflusstier. Sollte man nicht manche Wörter auch in der Schreibung besser dem anpassen, was sie bezeichnen?
    Früher hieß das Pflussferd Nilpferd, weil es am Nil lebte. Hier passt das P nach dem L ganz gut, finde ich, Nilpferd, Nilpferd, Nilpferd.
    Aber heute gibt es im Nil, am Nil und um den Nil herum keine Pflussferde mehr. Und der World Wildlife Fund berichtet, das Pflussferd stehe vor dem Aussterben – bald braucht man gar keinen Namen mehr, höchstens im Zoo. Übrigens hat dies Bedrohtsein auch was mit den Wirren im Kongo zu tun, wo der Bestand um 95 Prozent zurückgegangen ist und wohin vor Jahren erstmals deutsche Soldaten reisten, denen man sagen musste, sie sollten vorsichtig sein, wenn sie plötzlich vor einer von Stalagmiten gerahmten Höhle stünden. Es handelt sich in der Regel im Kongo nicht um eine Höhle, sondern um eine aufgesperrte Pflusspferdpfresse.
    Übrigens ist es ein neueres Phänomen: Menschen lieben Plussferde so, dass sie ihnen Namen geben wie Knautschke, Bulette, Toni. Dass sie Nilpferdfreunde-Klubs gründen. Nilpferdnippes sammeln. Im Sudan galt das zu ungeheurerUnfreundlichkeit fähige, Boote umwerfende, Menschen mit messerscharfen Riesenzähnen zerbeißende Wesen früher als Auswurf der Hölle. Und Old Brehm, der am Blauen Nil einmal durch dichtes Dornengebüsch vor einem Wutpferd fliehen musste, bis sein Anzug in Fetzen hing, hielt dem Tier gar seine Essmanieren vor: Es sei beim Verzehr von Wasserpflanzen »eine ekelhafte Erscheinung«, aus dem Maul hingen Ranken und Stängel, »grünlicher

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