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Wortstoffhof

Wortstoffhof

Titel: Wortstoffhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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mit mir persönlich zu tun.
    Ich sagte: Weiter. Weiter. Weiter. Weiter. Weiter. Ungefähr fünf Minuten lang sagte ich nichts als: Weiter. Mitten in den Filmtitel hinein sagte ich nach einer Weile »Weiter«. Ich ließ die Maschine gar nicht mehr ausreden.
    Dann kam: Capote . Ich merkte es erst gar nicht, sagte wieder »Weiter«, dann aber gleich »Zurück« und sofort »Reservieren«.
    Als Nächstes ging es um den Tag, an dem ich reservieren wollte. Dann um die Uhrzeit. Dann um die Anzahl der Karten.
    Und da änderte sich nun etwas. Statt »Weiter« oder »Zurück« musste man plötzlich »Mehr« oder »Weniger« sagen, wenn die Maschine eine bestimmte Kartenzahl vorgeschlagen hatte, aber »Reservieren« galt noch. Bloß hatte ich das binnen Sekunden plötzlich vergessen, keine Ahnung, warum – ich wusste auf einmal nicht mehr, welches Wort man sagen musste, wenn die Apparatstimme die richtige Zahl der Karten genannt hatte. Also sagte ich, um Zeit zu gewinnen, wieder: Weiter. Weiter. Weiter. Und zwischendurch auch mal: Zurück. Zurück. Zurück. Vielleicht fiele mir, dachte ich, das Wort ja gleich wieder ein.
    Aber das Wort fiel mir nicht ein. »Reservieren« – ich hatte es vergessen. Bloß wollte ich die Sache nicht wieder von vorne beginnen, ich hatte schon zehn Minuten am Telefon verbracht. Ich brabbelte weiter vor mich hin: Zurück. Weiter. Weiter. Zurück.
    Bis die Kinocenterstimme plötzlich »Eine Karte« sagte und ich »Zurück« antwortete, und etwas Merkwürdiges geschah.
    Die Stimme sagte nämlich: »Weniger als eine Karte können Sie nicht reservieren.«
    Das war erstens sehr richtig. Aber zweitens sagte das Gerät es mit einem – ich schwöre! – deutlich ironischen Unterton. Ja, mit einer gewissen Emotionalität. Einem Belustigtsein in der Stimme. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich das Gefühl hatte, eine Maschine würde gleich lachen.Interessant, nicht wahr? Eine lachende, ja, losprustende Maschine. Mit fiel ein, dass schon am Anfang, als alles begann, die Stimme das Wort »Hauptmenü« auch nicht neutral ausgesprochen hatte. Sondern mit einer geradezu vibrierenden Freude. So wie einer, dessen Leibgericht Spaghetti aglio e olio sind und der nun sehr hungrig ein Zimmer betritt, wo dampfende Spaghetti aglio e olio auf dem Tisch stehen, so wie dieser Mensch also »Ah, es gibt Spaghetti aglio e olio !« sagt beziehungsweise ausruft, so also sagte die Maschine: »Hauptmenü!« Rief es aus.
    Vielleicht ist es ja auch keine Maschine, dachte ich. Vielleicht sitzen Hunderte von Menschen in einem Saal und beantworten Anrufe nach diesem Schema, und zwischendurch pinkeln sie in die Hosen vor Lachen. Über die Anrufer. Wie sie sich schwertun. Wie sie Schlüsselwörter vergessen. Oder undeutlich aussprechen. Wie sie weniger als eine Karte zu reservieren versuchen.
    Als ich die Karten endlich bestellt hatte und den Hörer auflegte, hörte ich hinter mir ein leises Kichern. Ich drehte mich um, ob Paola da wäre oder Luis. Oder eine emotionalisierte Maschine.

S
SCHLEMPE
    Herr N. aus Marzling schrieb, einer seiner Kollegen habe sich für Informationen zum Thema »Schlempen« interessiert, worunter der Fachmann Rückstände versteht, die bei Destillationen entstehen. Man verwendet sie als Futtermittel, wenn sie bei der Verarbeitung von Getreide anfallen. N.s Kollege interessierte sich besonders für Schlempen, die beim Umgang mit Roggen entstehen, Roggenschlempen also. Als er das Wort aber bei Google eingab: nichts. Stattdessen die Frage: »Meinten Sie Drogenschlampe?«
    Der Kollege sei zuerst belustigt gewesen, schreibt N., dann aber habe er sich gefragt, wie es um eine Gesellschaft bestellt sei, zu der so selbstverständlich der Umgang mit dem Wort »Drogenschlampe« gehöre.
    Ein halbes Jahr nach N.s Brief gab Google zwar nun 17 Treffer für »Roggenschlempe« an, aber 249 für »Drogenschlampe«. Was das für unsere Gesellschaft bedeutet, muss jeder selbst wissen.
SCHLUCKROHR
    Das Wort »Speiseröhre« hat mir, unter uns gesagt, noch nie gefallen, weil es die Sache nicht richtig trifft, es müsste ja dann, analog, auch noch eine »Getränkeröhre« geben. Gibt es aber nicht. Und wer beschreibt nun mein Erstaunen, dass ausgerechnet an einem Tag, an dem das Wort »Speiseröhre« mir besonders wenig gefiel, Herr M. Folgendes schrieb: Seine Frau sei wie er selbst Ärztin, stamme indes aus Brünn. Sie spreche perfekt Deutsch, konstruiere jedoch manchmal Wörter … also, einfach wunderbar: Sein

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