Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede
der Weg dorthin ist im Grunde eine ganz gewöhnliche Hauptverkehrsstraße.
In dieser Gegend stoße ich auf den ersten Hundekadaver. Ein großes braunes Tier, äußere Verletzungen sind nicht zu sehen. Er liegt mitten auf der Straße. Wahrscheinlich ein Streuner, der in der Nacht von einem schnell fahrenden Auto überfahren wurde. Er sieht noch warm aus, ein bisschen gruselig, nicht wie tot. Eher, als würde er schlafen. Die Fahrer der vorbeibrausenden Laster würdigen ihn keines Blickes.
Ein Stückchen weiter entdecke ich eine Katze, die unter die Räder gekommen ist. Sie ist platt wie eine deformierte Pizza und völlig vertrocknet. Anscheinend wurde sie schon vor längerer Zeit überfahren.
So ist diese Straße.
Ich beginne mich ernsthaft zu fragen, wieso ich, nachdem ich den weiten Weg von Tokyo in dieses schöne Land gekommen bin, ausgerechnet diese riskante und stark befahrene Straße entlangtraben muss. Gäbe es da nichts anderes zu tun? Letztendlich zähle ich drei Hunde und elf Katzen, die ihr Leben auf der Straße nach Marathon gelassen haben. Es ist ziemlich niederdrückend.
Ich laufe und laufe, immer weiter. Die Sonne ist jetzt vollständig aufgegangen und steigt mit unglaublicher Geschwindigkeit höher. Meine Kehle ist furchtbar ausgedörrt. Mein Schweiß hat nicht einmal Zeit, sich zu sammeln; in der extrem trockenen Luft verdunstet er sofort und hinterlässt eine weiße Schicht auf der Haut. Es gibt die Bezeichnung »Schweißperlen«, aber die Feuchtigkeit verschwindet hier, ehe sie noch die winzigste Perle bilden kann. Mein ganzer Körper brennt vom Salz. Wenn ich mir die Lippen lecke, schmeckt es wie Sardellenpaste. Ich fange an, von einem eiskalten Bier zu träumen, schneidend kalt. Da ich das nicht bekommen kann, lasse ich mir etwa alle fünf Kilometer aus dem Wagen des Redakteurs Wasser geben. Noch nie habe ich bei einem Lauf so viel getrunken.
Aber schlecht fühle ich mich nicht. Ich habe noch jede Menge Energie. Ich setze etwa siebzig Prozent meiner Kraft ein und laufe in gerade dem richtigen Tempo. Es geht abwechselnd bergauf und bergab. Da ich vom Inland in Richtung Meer laufe, führt die Straße insgesamt eher bergab. Nachdem ich auch die Außenbezirke der Stadt hinter mir gelassen habe, erreiche ich allmählich eine ländlichere Gegend. Als ich durch das Dorf Nea Makri komme, schauen die älteren Leute, die in einem Straßencafé aus winzigen Tässchen ihren Morgenkaffee trinken, mir schweigend nach. Mir ist, als würde ich Zeuge einer Szene aus längst vergangener Zeit.
Ungefähr bei Kilometer 27 überquere ich einen Pass, danach liegt die bergige Landschaft von Marathon vor mir. Ich vermute, ich habe etwa zwei Drittel des Laufs hinter mir. Ich überschlage im Kopf die Zeit und nehme an, dass ich es in einer Gesamtzeit von dreieinhalb Stunden schaffen müsste. Aber so einfach geht das nicht. Nach Kilometer 30 erhebt sich ein Gegenwind vom Meer, und je näher ich Marathon komme, desto stärker bläst er. Ein starker Wind, der auf der Haut brennt. Mir ist, als würde er mich zurückdrücken, sobald meine Kraft etwas nachlässt. Er bringt einen leichten Meeresgeruch. Die Straße, die so gerade ist wie mit dem Lineal gezogen, führt nun leicht bergauf. An diesem Punkt überfällt mich echte Erschöpfung. Ganz gleich, wie viel Wasser ich trinke, im nächsten Moment habe ich schon wieder Durst. Ich will ein schönes kaltes Bier.
Nein, an Bier wird nicht gedacht! Und auch nicht an die Sonne. Vergiss auch den Wind. Und den Artikel. Konzentriere dich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ein anderes Problem hast du im Moment nicht.
Ich ziehe an Kilometer 35 vorbei. Was jetzt kommt, ist Terra incognita für mich. Mehr als 35 Kilometer bin ich noch nie gelaufen. Zu meiner Linken reiht sich eine zerklüftete Bergkette. Es scheint dort keine Wege zu geben. Welche Götter sie wohl geschaffen haben? Auf der rechten Seite erstrecken sich endlose Olivenhaine. Alles wirkt wie mit einer Schicht von weißem Staub bedeckt. Und der Wind bläst weiter unaufhörlich vom Meer herüber. Was soll das, warum muss er so stark sein?
Bei Kilometer 37 ist mir alles verhasst. Es reicht! Ich will nicht mehr laufen. Meine körperliche Energie ist völlig ausgeschöpft. Ich fühle mich wie ein Auto mit leerem Tank. Ich will trinken, aber ich fürchte, wenn ich jetzt stehen bleibe und trinke, kann ich vielleicht nicht mehr weiterlaufen. Ich habe Durst, aber nicht mehr die nötige Energie, um etwas zu trinken.
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