Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede
und mich dabei zu erholen. Ansonsten kann ich nur beten, dass das Wetter mitspielt und wir einen schönen Herbsttag bekommen.
Jedes Mal wenn ich New York besuche, um am City Marathon teilzunehmen (inzwischen muss es das vierte Mal sein), muss ich an die schöne, romantische Ballade »Herbst in New York« von Vernon Duke denken.
Dreamers with empty hands
May sigh for exotic lands
It’s autumn in New York
It’s good to live again
New York ist im November wirklich eine zauberhafte Stadt. Die Luft ist klar und frisch wie ein mutiger Entschluss, und die Bäume im Central Park beginnen gerade, sich goldgelb zu verfärben. Der Himmel ist unendlich hoch, und das Glas der Wolkenkratzer spiegelt verschwenderisch das Sonnenlicht wider. Man könnte endlos von Block zu Block laufen. Elegante Kaschmirmäntel zieren die Schaufenster von Bergdorf Goodman, und an jeder Ecke duftet es nach frischen Brezeln.
Werde ich während des Marathonlaufs die »exotische« New Yorker Szenerie genießen können? Oder wird mir dazu keine Zeit bleiben? Das werde ich natürlich erst erfahren, wenn ich tatsächlich laufe. So ist das beim Marathon.
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26. AUGUST 2006
IN EINEM BADEORT IN DER PRÄFEKTUR KANAGAWA
ACHTZEHN, BIS ICH STERBE
Ich trainiere gerade für einen Triathlon. Seit einer Weile konzentriere ich mich auf das Radfahren. Jeden Tag radle ich fleißig ein bis zwei Stunden den Pazifik-Fahrradweg (für einen so großartigen Namen ist er ziemlich schmal, stellenweise sogar unterbrochen und nicht leicht zu fahren) an der Küste bei Oiso entlang. Der Wind bläst heftig von der Seite. Dank meines ausgiebigen Trainings ist meine Muskulatur von den Oberschenkeln bis zur Hüfte fest und straff geworden.
Das Pedalsystem meines Rennrads ermöglicht eine optimale Kraftübertragung, dadurch lässt sich die Geschwindigkeit erhöhen. Ich versuche einen möglichst harmonischen runden Tritt zu finden. Bei langen Bergauf-Strecken ist das Hochziehen der Pedale ein wichtiger Faktor. Da man die Muskeln, die man dazu braucht, im täglichen Leben kaum benutzt, werden sie unweigerlich steif und müde, wenn ich sehr viel auf dem Rad trainiere. Morgens fahre ich Rad, und nachmittags laufe ich. Das geht auch, wenn meine Beine etwas steif sind. Natürlich ist diese Art von Training nicht gerade ein Vergnügen, aber ich will mich nicht beschweren. Genau das wird auch beim echten Triathlon stattfinden.
Richtiges Radtraining mache ich nur ein paar Monate vor dem Triathlon. Laufen und Schwimmen machen mir ohnehin Spaß und gehören auch ohne bevorstehendes Sportereignis zu meinem normalen Alltag, aber zum Radfahren komme ich eigentlich kaum. Ein Grund für meinen Vorbehalt gegen das Rad ist der Umstand, dass es für mich ein »Gerät« ist. Man braucht einen Helm, Fahrradschuhe und anderes Zubehör. Außerdem darf man es nicht versäumen, die ganze Ausrüstung ständig zu warten. Leider gehört es nicht gerade zu meinen Stärken, mich um solche Dinge zu kümmern. Dazu muss man einen einigermaßen sicheren Weg finden, auf dem man schnell fahren kann. Alles in allem finde ich das ziemlich umständlich.
Hinzu kommt, dass ich Angst habe. Bis ich auf einem geeigneten Weg bin, muss ich durch die Stadt fahren. Keiner, der es nicht selbst erlebt hat, kann nachvollziehen, wie beängstigend es sein kann, sich auf den schmalen Reifen eines Rennrades, die Füße an den Pedalen befestigt, durch den Verkehr zu schlängeln. Nachdem ich es nun öfter getan habe, habe ich mich ein bisschen daran gewöhnt und es gelernt zu überleben. Aber immer wieder gibt es kritische Augenblicke, in denen mir der kalte Schweiß ausbricht.
Selbst beim Training bekomme ich Herzklopfen, wenn ich mit großer Geschwindigkeit in eine enge Kurve rase. Wenn ich die Spur nicht sauber halte und den Körper beim Einbiegen nicht in den richtigen Winkel lege, kann ich stürzen oder in einen Zaun landen. Durch Übung muss ich die Grenzen austesten. Ich finde es auch ziemlich gefährlich, nach einem Regen in hoher Geschwindigkeit eine nasse Straße hinunterzurasen. Bei einem Rennen kann eine einzige falsche Bewegung eine Massenkarambolage hervorrufen.
Ich bin eigentlich kein besonders leichter und flinker Mensch, und Sportarten, bei denen es auf Schnelligkeit ankommt, liegen mir nicht. Daher ist von den Triathlon-Disziplinen das Radfahren auch meine größte Schwäche und die anschließenden 10 Kilometer Laufstrecke reichen nicht aus, um sie auszugleichen. Also habe ich vorsorglich mit dem Radtraining
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