Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede
Gründen eine kleine Reise unternehmen und konnte eine Weile nicht so viel trainieren, wie ich es mir wünschte. Da es jedoch ohnehin nicht mehr sehr lange bis zum New York City Marathon war, war dies kein großes Problem. Eigentlich tat es mir sogar gut, mich ein bisschen auszuruhen. Obwohl ich das weiß, werde ich immer nervöser, je näher ein Lauf rückt, und trainiere dann wider besseres Wissen. Doch wenn es regnet, fällt es mir leichter, mich in mein Schicksal zu ergeben. Das war das Gute an dem vielen Regen.
Obwohl ich gar nicht so viel laufe, hat mein Knie angefangen zu schmerzen. Wie die meisten Schwierigkeiten im Leben stellte sich der Schmerz plötzlich und ohne Vorwarnung ein. Als ich am Morgen des 17. Oktober die Treppe in unserem Haus hinunterging, gab mein rechtes Knie auf einmal nach. Wenn ich es auf eine bestimmte Art drehte, verspürte ich in der Kniescheibe einen ungewohnten Schmerz. Hinzu kam noch, dass das Knie an einem gewissen Punkt nicht stabil war und ich es nicht belasten konnte. So fühlte sich das also an, wenn einem die Knie weich wurden. Ich musste mich am Geländer festhalten, um die Treppe hinunterzugehen.
Vielleicht hatte ich mein Knie durch das viele Training geschwächt, und der plötzliche Temperatursturz hatte ein Übriges getan. Anfang Oktober war es noch heiß gewesen, aber der wochenlange Regen hatte Neuengland rasch herbstliches Wetter beschert. Bis vor kurzem hatte ich noch die Klimaanlage eingeschaltet, doch nun fegte ein kalter Wind durch die Stadt, und überall sah man den Wandel zum Spätherbst. In aller Eile hatte ich ein paar Pullover hervorgekramt. Auch die Eichhörnchen sahen jetzt anders aus und hasteten auf Futtersuche herum. Beim Wechsel der Jahreszeiten habe ich öfter körperliche Anpassungsschwierigkeiten. Als ich jung war, kam das nie vor. Am schlimmsten ist es, wenn es feucht und kalt wird.
Die Knie sind die Schwachpunkte des Langstreckenläufers, der täglich trainiert. Sooft man beim Laufen den Fuß aufsetzt, entsteht ein Aufprall vom dreifachen Gewicht des eigenen Körpers, heißt es. Und das wiederholt sich ungefähr zehntausend Mal am Tag. Die Knie sind dem harten Straßenbeton und diesem unglaublichen Gewicht (vielleicht ein bisschen abgefedert durch die Dämpfung der Schuhe) ausgeliefert und müssen alles schweigend erdulden. In Anbetracht dessen – obwohl ich normalerweise kaum daran denke – wäre es sogar ungewöhnlich, keine Knieprobleme zu haben. Man muss damit rechnen, dass die Knie hin und wieder protestieren. »Es ist ja schön und gut, dass du schnaufend durch die Gegend rennst, aber ab und zu kannst du ruhig auch mal auf uns achten. Wenn wir schlappmachen, gibt es keinen Ersatz.«
Wann hatte ich das letzte Mal ernsthaft an meine Knie gedacht? Ich fühlte mich ein bisschen schuldig. Sie hatten wirklich recht. Den Atem kann man ständig austauschen, aber nicht die Knie. Es sind die einzigen, die ich bis zu meinem Tod haben werde. Also sollte ich sie gut pflegen.
Ich hatte mich, wie gesagt, zum Glück bisher beim Laufen noch nie ernsthaft verletzt. Nie musste ich wegen einer Erkrankung absagen oder ausscheiden. Mein rechtes Knie (immer das rechte) hat sich schon früher manchmal seltsam angefühlt, aber ich konnte es jedes Mal wieder besänftigen und zum Laufen bringen. Sicher würde es auch diesmal klappen. Ich bemühte mich, optimistisch zu denken. Aber nicht einmal im Bett wich die Unsicherheit. Und wenn ich jetzt nicht an dem Lauf teilnehmen konnte? Hatte ich im Trainingsplan einen Fehler gemacht? Nicht genug gedehnt? (Könnte sein.) Mich kürzlich bei dem halben Marathon überanstrengt? Meine Gedanken ließen mich nicht schlafen. Draußen rauschte kalt und heftig der Wind.
Nachdem ich am nächsten Morgen aufgestanden war, mein Gesicht gewaschen und eine Tasse Kaffee getrunken hatte, versuchte ich, vorsichtig die Treppe in unserem Apartmenthaus hinunterzugehen. Dabei hielt ich mich am Geländer fest und konzentrierte mich bewusst auf mein rechtes Knie. Noch immer fühlte es sich seltsam an. An einer Stelle verspürte ich einen Anflug von Schmerz, aber er war nicht mehr so abrupt und stechend wie am Tag zuvor. Ich lief die vier Stockwerke noch einmal hoch und runter, diesmal in fast normalem Tempo. Ich probierte alle möglichen Arten zu gehen aus und drehte mein Knie in verschiedene Winkel. Kein unheilvolles Quietschen war zu hören. Ich war zumindest etwas erleichtert.
Mit dem Laufen hat es nichts zu tun, aber mein Alltag in
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