Wovon träumt ein Millionär?
halbwegs anständiger Kerl zu sein – trotz der Millionen und seiner Unkultiviertheit.“
„Das ist er tatsächlich. Habe ich dir schon erzählt, dass er die Einnahmen der Regatta-Gala für einen wohltätigen Zweck spendet?“
„Würde ich zu weit gehen, wenn ich sagte, dass das nur recht und billig ist?“
Nun lachte auch Mary, obwohl es ein wenig gezwungen klang. „Ivan ist schon in Ordnung. Auch wenn er nicht gerade eine Intelligenzbestie ist.“
„Schockierend“, erwiderte Olivia spöttisch. „Dann hat er sein ganzes Vermögen also nur geerbt?“
„Ja.“
Olivia warf Mary einen vielsagenden Blick zu. Dann erhob sie sich und ging in Richtung Küche. „Möchtest du etwas essen? Ich habe Blaubeermuffins gebacken. Und ohne überheblich klingen zu wollen – aus beiden Kanzleien über uns kamen Leute herunter, um zu fragen, was das für ein himmlischer Duft sei.“
Bei dem Gedanken an etwas zu essen drehte sich Mary beinahe der Magen um. Sie nahm ihren Kaffee und machte sich auf den Weg zu ihrem Büro. „Vielleicht später“, sagte sie über die Schulter.
„Okay. Oh, Mary?“
„Ja?“
„Mr. Curtis hat angerufen.“
Schlagartig fühlte sich Mary noch elender, und einen Moment lang hatte sie das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Seit ihrem Zusammenbruch auf dem Parkplatz, hatte sie nicht mehr mit ihm gesprochen.
Sie stand in der Bürotür und lächelte Olivia verlegen an. „Lass mich raten. Er möchte meine Dienste nicht länger in Anspruch nehmen.“
Mit einer Kasserolle in der einen und einem Ei in der anderen Hand stand Olivia in der Küche und blickte sie verwirrt an. „Nein. Eigentlich hat er gefragt, ob du heute um halb fünf zu ihm kommen könntest.“
„Wie bitte?“ Sie war sich sicher, Olivia falsch verstanden zu haben.
„Um halb fünf“, wiederholte Olivia. „Bei ihm zu Hause.“
„Oh, okay.“ Klar. Warum sollte er zu ihr ins Büro kommen, um sie zu feuern, wenn er sie auch zu sich bestellen konnte.
„Hat er sein Vermögen auch geerbt, Mary?“
Mary schüttelte den Kopf. „Nein. Er hat sich alles selbst erarbeitet.“
Olivia nickte. „Das habe ich mir gedacht. Er klingt immer sehr bodenständig, wenn er anruft. Das ist wirklich erfrischend.“
Unsicher ging Mary zurück in ihr Büro und ließ sich in den Schreibtischsessel fallen. Sie musste sich darauf einstellen, dass es kein angenehmes Gespräch werden würde. Es stand außer Frage, dass er sie entlassen würde. Doch was wäre, wenn er ihr damit drohte, die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen ihren Vater zu erwirken?
Das mulmige, beklemmende Gefühl, das sie seit Stunden erfüllte, kam mit aller Macht zurück. Ihre Gedanken überschlugen sich. Mary ließ den Kopf auf die Tischplatte sinken. Mit offenen Augen starrte sie vor sich hin, bis sie merkte, worauf sie ihren Kopf gelegt hatte. Es waren die Pläne für Ethans Kinderzimmer – ein Kinderzimmer, das einzurichten sie noch nicht einmal begonnen hatte. Mary stöhnte auf. Und mit einer knappen Handbewegung fegte sie die Pläne von ihrem Schreibtisch in den Papierkorb.
Ethans Hausangestellte Sybil öffnete Mary die Tür.
Sie wirkte beunruhigt.
„Hallo, Ms. Kelley.“
„Wie geht es Ihnen, Sybil?“
Die Dame seufzte hörbar auf. „Mr. Curtis ist im Spielzimmer. Ich werde Ihnen den Weg zeigen.“
„Spielzimmer?“, wiederholte Mary und folgte der Hausangestellten. Zwar war sie schon einige Male in Ethans Haus gewesen, aber ein Spielzimmer war ihr nicht aufgefallen.
Sybil warf einen Blick über die Schulter und verdrehte die Augen. „Dorthin zieht er sich zurück, um zu brüten.“
Brüten? Mary versuchte, sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen. Zuerst einmal konnte sie sich nicht vorstellen, dass Ethan irgendjemanden an seinen Gefühlen teilhaben ließ – es war einfach nicht sein Stil. Und außerdem: Wusste er, dass seine Hausangestellte so über ihn sprach? Sie wagte es zu bezweifeln.
Als die beiden Frauen schließlich vor einer Tür standen, klopfte Sybil an. Sie wandte sich Mary zu. „Da wären wir.“
„Soll ich einfach hineingehen?“, fragte Mary, als aus dem Zimmer keine Antwort kam.
Sybil nickte. „Er erwartet Sie.“
Nachdem die Hausangestellte verschwunden war, öffnete Mary die Tür.
Für einen Augenblick glaubte sie, sie wäre in ein Kinderparadies geraten. Doch offensichtlich handelte es sich um Ethans Spielzimmer.
Eine Seite des quadratischen Raums wurde von einer gewaltigen Fensterfront eingenommen. Von hier aus
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