WoW 01 - Aufstieg der Horde
gewählt und sind ihn gegangen, bis es zur Umkehr zu spät war. Wenn wir uns das bewusst machen, werden wir demnächst, in einer ähnlichen Situation, vielleicht anders entscheiden.
Deshalb möchte ich das Zeugnis all derer hören, die diesen Weg beschritten, der beinahe zur Vernichtung unserer Art führte. Ich will verstehen, warum sie jeden einzelnen Schritt gegangen sind, was geschehen ist, dass ihnen auch der nächste Schritt als richtig erschien.
Ich will es wissen, damit ich, sollte so etwas noch einmal passieren, es rechtzeitig erkennen kann.
Die Menschen haben zwei sehr schlaue Redensarten.
Die erste lautet: »Die, die nicht aus der Geschichte lernen, sind verdammt, sie zu wiederholen.«
Und die zweite lautet: » Kenne deinen Feind.«
Velen war tief in seiner Meditation versunken, als Restalaan ihn vorsichtig unterbrach. Er saß im zentralen Innenhof des Tempels von Karabor, aber nicht auf einer der bequemen Bänke, die das rechteckige Becken begrenzten, sondern auf dem harten Stein. Die Luft war erfüllt mit dem Geruch blühender Büsche aus dem wundervollen Garten, und das Wasser plätscherte sanft. In den Blättern der Bäume raschelte der Wind. Ansonsten war alles still und friedlich, aber Velen bekam das nicht mit, denn sein ganzes Sein war nach innen gerichtet.
Schon sehr lange vertrauten die Draenei und die Naaru einander. Die leuchtenden Wesen, die sich so selten entschlossen, eine feste Form anzunehmen, hatten sich zuerst um die vertriebenen Eredar gekümmert, sie dann unterrichtet und waren schließlich zu ihren Freunden geworden. Sie waren gemeinsam gereist und hatten viele Welten gesehen. Jedes Mal hatten die Naaru, besonders das Wesen, das sich selbst K'ure nannte, den Draenei zu fliehen geholfen, wenn die Man'ari sie entdeckt hatten. Und jedes Mal waren Kil'jaeden und die monströsen Kreaturen, die einst Eredar gewesen waren, ihnen ein Stückchen näher gekommen. Velen war immer betrübt, wenn er und sein Volk eine Welt verlassen mussten, um sich selbst zu retten. Er wusste, dass alle Wesen, die sie zurückließen, wie die Eredar verändert werden würden. Kil'jaeden war immer darauf bedacht, die Legion seines dunklen Herrn Sargeras zu vergrößern.
K'ure war darüber ebenso bekümmert wie Velen. Aber er argumentierte in Velens Geist mit der unwiderlegbaren Logik, dass Kil'jaeden, Archimonde und Sargeras ansonsten eine andere Welt in derselben Zeit zerstört hätten. Alle Welten, alle Wesen, alle Völker waren in Sargeras' Augen erschreckend gleich. Sie alle mussten mit Feuer ausgelöscht werden. Wäre Velen durch die Hände seiner ehemals besten Freunde getötet worden, hätte das keinen der glücklosen Unschuldigen gerettet. Überlebte er aber, so konnte er eines Tages vielleicht die Rettung bringen.
»Wie denn?«, hatte Velen sich einst erregt. »Wie kann mein Leben denn wichtiger und wertvoller sein als das anderer?«
Unsere Vereinigung arbeitet langsam,
hatte K'ure geantwortet,
aber wir geben niemals auf. Es gibt andere Naaru wie mich, die die jüngeren Völker bereisen. Wenn sie alle bereit sind, werden sie vereint, und vielleicht wird Sargeras dann von denen zu Fall gebracht, die immer noch an das Gute und Wahre glauben. Das ist das zeitlose Gleichgewicht im Universum.
Velen hatte keine Wahl. Er konnte nur diesem Wesen, das sein Freund war, glauben oder die verraten, die ihm vertraut hatten. Er wählte den Glauben.
Momentan aber war er verwirrt. Die Orcs hatten begonnen, Jägergruppen anzugreifen. Es schien keinen Grund für diese Angriffe zu geben. Keine der Wachen, die Velen befragt hatte, konnten irgendetwas Ungewöhnliches berichten. Und trotzdem: drei Jägergruppen waren bis auf den letzten Draenei ausgelöscht worden. Restalaan, der die Metzeleien untersucht hatte, hatte berichtet, dass die Draenei nicht einfach getötet, sondern vielmehr... abgeschlachtet worden waren.
Deshalb war Velen zum Tempel gegangen, der noch aus den frühesten Tagen stammte, als die Draenei auf diese Welt gekommen waren. Umgeben von vier der sieben Ata'mal-Kristalle, die vor so langer Zeit entstanden waren, konnte er die schwache Stimme seines Freundes in seinem Kopf hören. Aber K'ure hatte diesmal keine Antworten für ihn.
Diesmal würde es keine Flucht geben, wenn etwas schiefging. K'ure lag im Sterben, gefangen in dem Schiff, das vor zweihundert Jahren auf diese Welt gestürzt war.
»Großer Prophet«, sagte Restalaan mit sanfter Stimme, »es hat einen neuen Angriff
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