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Wozu wollen Sie das wissen?

Wozu wollen Sie das wissen?

Titel: Wozu wollen Sie das wissen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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gegeben, die an diesem Wochenende zu Gast waren – Mr und Mrs Hammond. Zahlreiche kleine Silbergabeln und -löffel mussten für dieses Ereignis geputzt werden, also beschloss Mrs Mountjoy, dass auch gleich das gesamte Silber geputzt werden konnte. Ich putzte es, und sie stand neben mir und überwachte mich.
    Am Tag der Party trafen die Gäste auf Motorbooten und auf Segelbooten ein. Einige gingen baden und saßen danach in ihren Badeanzügen auf den Felsen oder lagen auf dem Steg in der Sonne. Andere kamen sofort zum Haus hinauf, um etwas zu trinken und sich im Wohnzimmer oder draußen auf der Dachterrasse zu unterhalten. Einige Kinder waren mit ihren Eltern gekommen, andere, ältere Kinder allein, auf eigenen Booten. Sie waren alle nicht in Mary Annes Alter – Mary Anne war abgeholt worden, um bei ihrer Freundin Susan auf einer anderen Insel zu übernachten. Ein paar waren noch sehr klein und hatten mitgebrachte tragbare Kinderbettchen und zusammenklappbare Laufställchen zur Verfügung, aber die meisten waren ungefähr im selben Alter wie ich. Fünfzehn oder sechzehn Jahre alte Mädchen und Jungen. Sie verbrachten den größten Teil des Nachmittags im Wasser, johlten und tauchten und schwammen um die Wette zum Floß.
    Mrs Mountjoy und ich hatten den Vormittag damit zugebracht, all die Häppchen zuzubereiten, die wir jetzt auf Platten drapierten und den Gästen anboten. Ihre Herstellung war mühsam und kniffelig. Es galt, diverse Füllungen in Champignons zu stopfen und ein Scheibchen von etwas auf ein Scheibchen von etwas anderem und dann auf ein genau geformtes Stückchen Toast oder Brot zu stecken. Alle Formen mussten vollkommen sein – vollkommene Dreiecke, vollkommene Kreise und Quadrate, vollkommene Sterne.
    Mrs Hammond kam mehrmals in die Küche und bewunderte unser Werk.
    »Wie fabelhaft das alles aussieht«, sagte sie. »Ihr merkt, dass ich nicht meine Hilfe anbiete. Ich bin bei solchen Sachen der totale Tollpatsch.«
    Ich mochte die Art, wie sie das sagte.
Der totale Tollpatsch
. Ich bewunderte ihre rauchige Stimme, den lässigen und launigen Tonfall, die Art, wie sie anzudeuten schien, dass kleine, geometrische Häppchen nicht unbedingt notwendig, vielleicht sogar ein bisschen albern waren. Ich wünschte mir, wie sie zu sein, in einem schnittigen schwarzen Badeanzug mit einer Sonnenbräune wie dunkler Toast, schulterlangen, glatten dunklen Haaren und orchideenfarbenem Lippenstift.
    Nicht, dass sie glücklich aussah. Ihre verdrossene und anklagende Miene fand ich jedoch todschick, ihre Andeutungen eines düsteren Dramas beneidenswert. Sie und ihr Mann gehörten einem ganz anderen Typus von reichen Leuten an als Mr und Mrs Mountjoy. Sie waren eher wie Leute, von denen ich in Illustrierten und Büchern wie
Die Verführer
gelesen hatte – Leute, die viel tranken und Liebesaffären hatten und zum Psychiater gingen.
    Sie hieß Carol, und ihr Mann hieß Ivan. In Gedanken benutzte ich schon ihre Vornamen – was mir bei den Mountjoys nie in den Sinn gekommen wäre.
    Mrs Mountjoy hatte mich gebeten, ein Kleid anzuziehen, also trug ich das rosa und weiß gestreifte Baumwollkleid, den verfärbten Stoff um die Taille hatte ich unter den breiten Gürtel gestopft. Fast alle anderen trugen Shorts und Badeanzüge. Ich schlängelte mich zwischen ihnen durch und bot Häppchen an. Ich wusste nicht genau, wie ich das machen sollte. Manche lachten oder redeten mit solcher Verve, dass sie mich nicht bemerkten, und ich hatte Angst, dass ihre Gesten die Häppchen durch die Gegend schleudern könnten. Also sagte ich: »Entschuldigen Sie – möchten Sie eins davon?«, mit lauter Stimme, die sehr entschlossen oder sogar tadelnd klang. Dann sahen sie mich mit erschreckter Belustigung an, und ich hatte das Gefühl, dass meine Unterbrechung den nächsten Witz hergab.
    »Fürs Erste ist genug herumgereicht«, sagte Mrs Mountjoy. Sie sammelte einige Gläser ein und bat mich, sie abzuwaschen. »Die Leute merken sich nie, welches ihrs ist«, sagte sie. »Also ist es einfacher, sie abzuwaschen und saubere herauszubringen. Und es wird Zeit, die Fleischbällchen aus dem Kühlschrank zu holen und aufzuwärmen. Könntest du das machen? Pass auf den Backofen auf – es geht ziemlich schnell.«
    Während ich in der Küche zu tun hatte, hörte ich Mrs Hammond »Ivan! Ivan!« rufen. Sie wanderte durch die Hinterzimmer des Hauses. Aber Mr Hammond war durch die Küchentür hereingekommen, die in den Wald führte. Er stand da und

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