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Wozu wollen Sie das wissen?

Wozu wollen Sie das wissen?

Titel: Wozu wollen Sie das wissen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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antwortete ihr nicht. Er kam zum Büffet und goss sich Gin ins Glas.
    »Ach, Ivan, hier bist du«, sagte Mrs Hammond, die aus dem Wohnzimmer hereinkam.
    »Hier bin ich«, sagte Mr Hammond.
    »Mir auch«, sagte sie. Sie schob ihr Glas über das Büffet.
    Er nahm es nicht. Er schob ihr den Gin zu und sprach mich an. »Amüsierst du dich gut, Minnie?«
    Mrs Hammond lachte auf. »Minnie? Wie kommst du darauf, dass sie Minnie heißt?«
    »Minnie«, sagte Mr Hammond. Er sprach mit manierierter, verträumter Stimme. »Amüsierst du dich gut, Minnie?«
    »Oh, ja«, sagte ich, bemüht, meine Stimme ebenso manieriert klingen zu lassen. Ich war gerade dabei, die winzigen schwedischen Fleischbällchen aus dem Backofen zu holen, und ich wollte die Hammonds aus dem Weg haben, falls mir welche herunterfielen. Sie würden das sehr komisch finden und es wahrscheinlich Mrs Mountjoy berichten, die mich zwingen würde, die heruntergefallenen Fleischbällchen wegzuwerfen, und sich wahrscheinlich über die Verschwendung ärgern würde. War ich aber allein, wenn es passierte, konnte ich sie einfach vom Fußboden aufheben.
    Mr Hammond sagte: »Schön.«
    »Ich bin um die Landspitze herumgeschwommen«, sagte Mrs Hammond. »Ich steigere mich dazu, die ganze Insel zu umschwimmen.«
    »Gratuliere«, sagte Mr Hammond, genauso, wie er vorher »schön« gesagt hatte.
    Ich wünschte, ich hätte mich nicht so piepsig und albern angehört. Ich wünschte, ich hätte seinen zutiefst skeptischen und kultivierten Ton getroffen.
    »Na, dann«, sagte Mrs Hammond. Carol. »Ich verlasse euch.«
    Ich hatte begonnen, die Fleischbällchen mit Zahnstochern aufzuspießen und sie auf einem Tablett auszulegen. Ivan sagte: »Soll ich helfen?«, und versuchte, es mir gleichzutun, aber seine Zahnstocher gingen daneben, so dass die Fleischbällchen übers Büffet glitschten.
    »Tja«, sagte er, aber er schien den Faden verloren zu haben, also wandte er sich um und nahm sich noch einen Drink. »Tja, Minnie.«
    Ich wusste etwas über ihn. Ich wusste, dass die Hammonds zu einem besonderen Urlaub hier waren, denn Mr Hammond hatte seine Stellung verloren. Mary Anne hatte mir das erzählt. »Er ist sehr deprimiert deswegen«, hatte sie gesagt. »Sie werden aber nicht arm sein. Tante Carol ist reich.«
    Er wirkte auf mich nicht deprimiert. Er wirkte ungeduldig – hauptsächlich Mrs Hammond gegenüber, aber im Ganzen recht zufrieden mit sich. Er war groß und schlank, er hatte dunkle, glatt nach hinten gekämmte Haare, und sein Schnurrbart war ein ironischer Strich über seiner Oberlippe. Als er mit mir redete, beugte er sich vor, wie ich es ihn schon vorher hatte tun sehen, als er sich mit einer Frau im Wohnzimmer unterhielt. Da hatte ich gedacht, das richtige Wort für ihn sei
ritterlich
.
    »Wo gehst du baden, Minnie? Gehst du baden?«
    »Ja«, sagte ich. »Unten beim Bootshaus.« Ich beschloss, sein Beharren, mich Minnie zu nennen, war ein Witz, den nur wir miteinander teilten.
    »Ist das eine gute Stelle?«
    »Ja.« Für mich war sie es, denn ich blieb gerne dicht beim Steg. Bis zu diesem Sommer war ich noch nie in Wasser geschwommen, das mir über den Kopf reichte.
    »Gehst du je ohne Badeanzug ins Wasser?«
    Ich sagte: »Nein.«
    »Solltest du mal probieren.«
    Mrs Mountjoy kam durch die Wohnzimmertür herein und fragte, ob die Fleischbällchen fertig seien.
    »Das ist vielleicht eine hungrige Meute«, sagte sie. »Das kommt vom Baden. Wie geht’s dir, Ivan? Carol hat dich gerade gesucht.«
    »Sie war hier«, sagte Mr Hammond.
    Mrs Mountjoy legte hier und da Petersilie zwischen die Fleischbällchen. »So«, sagte sie zu mir. »Ich glaube, du hast hier alles getan, was nötig war. Ich glaube, ich komme jetzt allein zurecht. Warum machst du dir nicht einfach ein Sandwich und läufst dann zum Bootshaus hinunter?«
    Ich sagte, ich sei nicht hungrig. Mr Hammond hatte sich noch Gin und Eiswürfel genommen und war ins Wohnzimmer gegangen.
    »Besser, du nimmst dir was«, sagte Mrs Mountjoy. »Später wirst du Hunger bekommen.«
    Sie meinte damit, dass ich nicht zurückkommen sollte.
    Auf meinem Weg zum Bootshaus begegneten mir zwei der Gäste – Mädchen in meinem Alter, barfuß und in nassen Badeanzügen, vor Lachen außer Atem. Wahrscheinlich waren sie halb um die Insel herumgeschwommen und beim Bootshaus aus dem Wasser gestiegen. Jetzt schlichen sie sich zurück, um jemanden zu überraschen. Sie traten höflich beiseite, damit ich keine Wassertropfen abbekam, hörten

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