Wozu wollen Sie das wissen?
mit Männern, Frauen tanzen mit Frauen, Kinder tanzen miteinander oder für sich allein, ohne die geringste Ahnung von den Tanzschritten, und geraten in den Weg – aber es sind sich ohnehin alle gegenseitig im Weg, also macht es nichts. Einige Kinder tanzen auf der Stelle, wirbeln mit ausgestreckten Armen herum, bis ihnen schwindlig wird und sie hinfallen. Zwei Sekunden später sind sie wieder auf den Beinen und bereit, von vorn anzufangen.
Mary hält Andrew bei den Händen und wird von ihm herumgewirbelt, dann an andere weitergereicht, die sich zu ihr hinunterbeugen und ihren zu klein geratenen Körper umherschleudern. Sie hat den kleinen James aus den Augen verloren und weiß nicht, ob er bei seinem Großvater geblieben ist. Sie tanzt unten, auf Höhe der Kinder, wenn auch weniger ausgelassen und sorglos. Im Gedränge so vieler Leiber ist sie hilflos, kann nicht aufhören – muss mit der Musik Schritt halten, sonst wird sie niedergetrampelt.
»Jetzt hör zu, und ich werd dir was erzählen«, sagt der alte James. »Dieser Mann, Will O’Phaup, mein Großvater – er war mein Großvater so, wie ich deiner bin, Will O’Phaup also saß vor seinem Haus und ruhte sich aus, an einem lauen Sommerabend. Ganz allein saß er da.
Und da waren drei kleine Bürschchen, kaum größer als du, die kamen um die Ecke von Wills Haus. Sie sagten ihm guten Abend.
Euch einen guten Abend, Will O’Phaup
, sagen sie.
Euch auch einen guten Abend, was kann ich für euch tun?
Könnt Ihr uns für die Nacht ein Bett oder eine Lagerstatt geben
, sagen sie. Und,
ja
, sagt er,
ja, ich denke mal, für drei kleine Bürschchen wie euch wird sich schon noch Platz finden
. Und er geht ins Haus, sie folgen ihm und sagen:
Ach, könntet Ihr uns nicht auch den Schlüssel geben, den großen, silbernen Schlüssel, den Ihr von uns habt?
Will schaut sich also um und sucht nach dem Schlüssel, bis er bei sich denkt, was für einen Schlüssel? Und er dreht sich um und will sie fragen.
Was für einen Schlüssel?
Denn er wusste, so etwas hatte er noch nie im Leben gehabt. Einen großen Schlüssel, einen silbernen Schlüssel, nie und nimmer.
Von was für einem Schlüssel redet ihr?
Und er dreht sich um, und sie sind nicht da. Er geht aus dem Haus, geht rings ums Haus herum, schaut die Straße hinunter. Keine Spur von ihnen. Schaut zu den Bergen hoch. Keine Spur.
Dann wusste Will Bescheid. Das waren gar keine kleinen Jungen. Oh, nein. Überhaupt nicht.«
Der kleine James hat keinen Ton von sich gegeben. Hinter ihm erhebt sich die dicke und lärmende Mauer der Tänzer, neben ihm ist seine Mutter mit dem kleinen, krallenden Tier, das in ihren Körper beißt. Und vor ihm ist der alte Mann mit seiner polternden Stimme, so eindringlich, aber fern, und mit seinem Schwall bitteren Atems, seinem Gefühl von Ungerechtigkeit und eigener Wichtigkeit, so stark wie das des Kindes. Sein Wesen hungrig, listig und tyrannisch. Für den kleinen James ist es die erste bewusste Begegnung mit jemandem, der ebenso ichbezogen ist wie er selbst.
Er ist kaum fähig, sein Gehirn zu benutzen, um zu zeigen, dass er nicht völlig geschlagen ist.
»Schlüssel«, sagt er. »Schlüssel?«
Agnes beobachtet die Tänzer und erblickt Andrew, rot im Gesicht und schwerfällig, die Arme verhakt mit verschiedenen lustigen Weibern. Sie tanzen jetzt den Ringelreigen »Rund um die Weide«. Da ist nicht eine, deren Aussehen oder Tanz Agnes irgend Anlass zu Sorge gibt. Andrew gibt ihr ohnehin nie Anlass zu Sorge. Sie sieht, wie Mary umhergewirbelt wird, sogar mit einem Hauch von Farbe auf den Wangen – obwohl sie zu scheu und zu kleinwüchsig ist, um jemandem ins Gesicht zu schauen. Agnes sieht die fast zahnlose Hexe von einem Weib, die eine Woche nach ihr ein Kind gebar, mit ihrem hohlwangigen Mann tanzen. Kein wunder Unterleib für die. Sie muss das Kind so glatt ausgestoßen haben, als wäre es eine Ratte, und es dann der einen oder anderen ihrer schwächlich aussehenden Töchter übergeben haben.
Sie sieht Mr Suter, den Wundarzt, außer Atem, er löst sich von einer Frau, die ihn festhalten will, schlüpft zwischen den Tänzern hindurch und kommt, um sie zu begrüßen.
Sie wünscht, er täte es nicht. Jetzt wird er sehen, wer ihr Schwiegervater ist, muss sich vielleicht sogar das Gefasel des alten Narren anhören. Er wird ihre graubraune und jetzt nicht einmal mehr saubere bäurische Kleidung zu sehen bekommen. Er wird sie als das sehen, was sie ist.
»Also hier sind Sie«,
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