Wozu wollen Sie das wissen?
Ettrick.«
»Und in Nova Scotia, da ist unser Bruder James«, fährt Mary fort.
»Vielleicht oder vielleicht auch nicht. Hier kann leicht jemand sterben, ohne dass irgendwer davon erfährt. Wilde Tiere können ihn gefressen haben.«
»Komm du nochmal dem Kindchen nahe, und ich ziehe dir bei lebendigem Leib die Haut ab«, sagt Agnes zu dem kleinen James, der um sie und den Säugling herumspaziert und so tut, als seien sie ihm vollkommen gleichgültig.
Agnes denkt, das geschieht ihm ganz recht, dem Burschen, der sich nicht einmal von ihr verabschiedet hat. Aber ihr bleibt die Hoffnung, dass er eines Tages zurückkommen und sehen wird, dass sie seinen Bruder geheiratet hat. Dann wird er sich wundern. Auch wird er begreifen, dass er sie am Ende doch nicht untergekriegt hat.
Mary fragt sich, wie ihr Vater nur so reden kann, von wilden Tieren, die vielleicht seinen eigenen Sohn gefressen haben. Wird man so, wenn die Sorgen der Jahre von einem Besitz ergreifen, das Herz aus Fleisch in ein Herz aus Stein verwandeln, wie es in dem alten Lied heißt? Und wenn das so ist, wie gleichgültig und verächtlich mag er dann über sie reden, die ihm nie auch nur annähernd so viel bedeutet hat wie die Jungen?
Jemand hat eine Fiedel mit an Deck gebracht und stimmt die Saiten zum Spiel. Leute, die an der Reling gelehnt und einander gezeigt haben, was sie erkennen konnten – unter Wiederholung des Namens, den inzwischen jeder kennt, Nova Scotia, werden von diesen Geräuschen abgelenkt und beginnen, nach einem Tänzchen zu verlangen. Sie rufen die Namen der Lieder und Tänze, die der Fiedler spielen soll. Platz wird freigeräumt, und Paare stellen sich in einer ungefähren Ordnung auf, und nach vielem nervösen Fiedelgekratze und ungeduldigen Anfeuerungsrufen setzt die Musik ein und verschafft sich Gehör, und der Tanz beginnt.
Tanz um sieben Uhr morgens.
Andrew kommt von unten mit dem täglichen Wasservorrat. Er bleibt stehen und schaut ein wenig zu, dann überrascht er Mary mit der Frage, möchte sie tanzen?
»Wer soll auf den Jungen aufpassen?«, sagt Agnes sofort. »Ich werde nicht aufstehen und ihm hinterherrennen.« Sie tanzt gerne, wird aber jetzt daran gehindert, nicht nur von dem Säugling, sondern auch von den wunden Stellen ihres Körpers, die von der Geburt so arg strapaziert wurden.
Mary lehnt bereits ab, sie könne nicht weg, aber Andrew sagt: »Wir legen ihn an die Leine.«
»Nein, nein«, sagt Mary. »Ich brauche nicht zu tanzen.« Sie glaubt, dass Andrew sie aus Mitleid auffordert, denn sie erinnert sich daran, dass sie in Schulspielen und beim Tanzen immer am Rand geblieben ist, obwohl sie eigentlich ausgezeichnet rennen und tanzen kann. Andrew ist der einzige der Brüder, der zu solcher Rücksicht fähig ist, aber ihr wäre fast lieber, wenn er sich wie die anderen verhalten würde und sie so unbeachtet ließe, wie sie es immer gewesen ist. Mitleid erbost sie.
Der kleine James fängt an, sich laut zu beklagen, denn er hat das Wort
Leine
erkannt.
»Du sei still«, sagt sein Vater. »Sei still, oder es setzt was.«
Dann überrascht der alte James alle damit, dass er sich seinem Enkelsohn zuwendet.
»Du. Junger Mann. Du setzt dich zu mir.«
»Ach, der bleibt nicht sitzen«, sagt Mary. »Der wird weglaufen, und dann kannst du ihn nicht einholen, Vater. Ich werde bleiben.«
»Er wird sitzen bleiben«, sagt der alte James.
»Entscheide dich«, sagt Agnes zu Mary. »Geh oder bleib.«
Der kleine James schaut leise schniefend vom einen zum anderen.
»Kennt er denn nicht mal die einfachsten Wörter?«, fragt der Großvater. »Sitz. Junge. Hier.«
»Er kennt alle möglichen Wörter«, sagt Mary. »Er kennt das Wort Klüverbaum.«
»Klüverbaum«, wiederholt der kleine James.
»Halt den Mund und setz dich hin«, sagt der alte James. Der kleine Junge lässt sich widerwillig auf der angezeigten Stelle nieder.
»Jetzt geh«, sagt der alte James zu Mary. Und völlig verwirrt, den Tränen nahe, wird sie weggeführt.
»Was für einen Nuckelkrott sie aus ihm gemacht hat«, sagt Agnes, nicht direkt zu ihrem Schwiegervater, sondern in die Luft. Sie spricht fast gleichgültig und kitzelt die Wange des Säuglings mit ihrer Brustwarze.
Die Leute tanzen, nicht nur in den üblichen Formationen, sondern auch, ohne sich darum zu kümmern, überall auf dem Deck. Sie greifen sich jeden und wirbeln herum. Sie greifen sich sogar Matrosen, wenn sie welche zu fassen kriegen. Männer tanzen mit Frauen, Männer tanzen
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