Wozu wollen Sie das wissen?
Verzeihung bat und kein Wort mehr an sie richtete.
Sie dachte, sie hätte ihn nicht so kurz abfertigen sollen, besonders, da sie darauf angewiesen war, dass er das Brot an sie weiterreichte. Doch ihr war auch bewusst, dass es Andrew, der auf ihrer anderen Seite saß, nicht gefallen hätte, wenn sie sich unterhalten hätte. Auf alle Fälle nicht mit diesem Mann, vielleicht sogar mit überhaupt niemandem. Andrew hielt den Kopf gesenkt und gab nur einsilbige Antworten. Geradeso, wie er es als Schuljunge getan hatte. Man hatte nie genau gewusst, ob er etwas missbilligte oder nur schüchtern war.
Will war unbefangener gewesen. Will hätte vielleicht von Mexiko hören wollen. Solange die Männer, die redeten, wussten, wovon sie redeten. Allerdings war er oft der Meinung, sie wüssten es nicht. In dieser Hinsicht war Will gar nicht so anders als Andrew gewesen, gar nicht so anders als seine Familie, wie er selbst gedacht hatte.
Eines, von dem hier gar nicht geredet wurde, war der Glaube – es sei denn, man ließ die Erweckungsversammlung gelten, was Mary nicht tat. Kein heftiger Streit über die richtige Lehre. Keine Erwähnung von Geistern oder unheimlichen Besuchern, wie in den alten Zeiten in Ettrick. Hier war alles nüchtern und sachlich, alles drehte sich darum, was man mit der realen Welt unter den Füßen anfangen konnte, und sie nahm an, Will hätte das gutgeheißen – schließlich war das die Welt, zu der er sich auf den Weg gemacht hatte.
Sie zwängte sich von ihrem Platz, sagte Andrew, sie sei zu müde, um auch nur noch einen Bissen zu essen, und ging in den Flur.
An der Fliegengittertür fand der letzte Hauch einer Brise den Weg zwischen ihre verschwitzte, staubige Kleidung und ihre Haut, und sie sehnte sich nach der tiefen, stillen Nacht, obwohl es so etwas in einem Gasthaus wahrscheinlich nicht gab. Außer dem Stimmengewirr im Esszimmer hörte sie das Geklapper in der Küche, an der Hintertür das Platschen der Eimer, die in den Schweinetrog entleert wurden, dazu das Quieken der hungrigen Schweine. Und im Hinterhof die Stimmen spielender Kinder, darunter ihre eigenen.
Eins zwei drei vier Eckstein, alles muss versteckt sein
…
Sie klatschte in die Hände und rief laut.
»Robbie und Tommy! Johnnie, bring die Kleinen rein.«
Als sie sah, dass Johnnie sie gehört hatte, wartete sie nicht, sondern drehte sich um und stieg die Treppe hoch.
Johnnie, der seine Brüder ins Haus holte, hob den Kopf und sah oben auf der Treppe seine Mutter, die ihn schreckensstarr anblickte, als kennte sie ihn nicht. Sie tat einen Schritt hinunter und stolperte und konnte sich gerade noch am Treppengeländer festhalten. Sie sah ihm in die Augen, konnte aber nicht sprechen. Er schrie auf, rannte die Stufen hoch und hörte sie fast atemlos sagen: »Der Säugling …«
Sie meinte, dass der Säugling fort war. Die Keilkissen lagen unberührt, ebenso wie die Unterlagen dazwischen und die Decke darüber. Der Säugling war mit Sorgfalt herausgenommen worden.
Johnnies Schrei brachte alle auf die Beine. Die Nachricht wanderte von Mund zu Mund. Andrew kam und fragte Mary: »Bist du sicher?«, dann drängte er sich an ihr vorbei ins Zimmer. Thomas schrie mit seiner durchdringenden Kleinkinderstimme, dass die Wauwaus sein Schwesterchen gefressen hätten.
»Das ist gelogen«, brüllte die Frau vom Gasthaus, als habe sie es mit einem Erwachsenen zu tun. »Diese Hunde haben noch niemandem was getan. Die würden nicht mal einem Murmeltier was antun.«
Mary sagte: »Nein, nein.« Thomas rannte zu ihr und stieß den Kopf zwischen ihre Beine, und sie sank auf die Stufen nieder.
Sie sagte, sie wisse, was geschehen sei. Sie rang nach Atem und erklärte dann, das sei Becky Johnson gewesen.
Andrew kam von seiner Inspektion des Schlafzimmers zurück und fragte sie, was sie damit meine.
Mary sagte, dass Becky Johnson das Neugeborene fast wie ihr eigenes behandelt habe. Sie hätte es so sehr behalten wollen, dass sie gekommen sei und es gestohlen haben müsse.
»Sie ist eine Squaw«, erklärte Jamie den Leuten um ihn herum am Fuße der Treppe. »Sie ist uns heute gefolgt. Ich hab sie gesehen.«
Mehrere Männer, am dringlichsten aber Andrew, wollten wissen, wo er sie gesehen habe, ob er sie mit Sicherheit erkannt habe und warum er nichts gesagt habe. Jamie sagte, er habe es seiner Mutter erzählt. Dann wiederholte er mehr oder weniger, was er Mary berichtet hatte.
»Ich habe nicht genug darauf Acht gegeben, als er es mir erzählt
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