Wu & Durant 01 - Umweg zur Hölle
soliden Beweismaterials, das ausgereicht hätte, seinen Rivalen für zwanzig Jahre aus dem Verkehr zu ziehen. Hieß es jedenfalls. Es fand eine Sitzung hinter verschlossenen Türen statt, sein Rivale trat vier Tage vor der Wahl aus Gesundheitsgründen zurück und Ranshaw machte das Rennen.«
»Und wo hat Ihre Schwester ihn kennengelernt?«
»Auf einer Antikriegsdemonstration, 1972 in Washington. Irgendwer kam plötzlich mit der ausgefallenen Idee, Silk und Ranshaw sollten gemeinsam einen Protestsong singen. Nun, Sie wissen, wie das geht. Sie trafen sich wieder und befreundeten sich, der Abgeordnete verließ seine Frau und lebte mit Silk zusammen. Mal in Washington, mal hier. Sie arbeitete zu der Zeit meist in Vegas und New York. Dann ist irgendwas in Pelican Bay passiert, was den Abgeordneten veranlaßte, mehr und mehr Zeit vor Ort zu verbringen.«
»Was passierte?«
»Weiß ich nicht. Irgendwas Politisches. Alles, was Silk erwähnte, war, daß er in Schwierigkeiten stecke.«
»Sie hat nicht gesagt, welcher Art?«
»Nein.«
»Und dann starb er.«
»Ja, vor zwei Monaten.«
»Wie aktiv war Ihre Schwester in der Antikriegsbewegung?«
»Sie hat sich ziemlich ins Zeug gelegt. Sehr sogar.«
»Sie hatte nicht etwa mit den linksextremen Spinnern zu tun?«
»Den Weathermen?«
Durant nickte.
»Sie meinen, es könnte sein, daß sie Silk helfen, unauffindbar zu sein?«
»Auf so was verstehen sie sich.«
Lace schüttelte den Kopf. »Silk ist überzeugte Antikommunistin. Wie die meisten gestandenen Sozialisten. Papa übrigens auch.«
»Sie haben gute Gründe dafür.«
»Sind Sie ein Sozialist?«
Durant lächelte. »Nein. Ich bin eingetragener Skeptiker.«
»Aber Sie halten sich auf dem laufenden, richtig?« Sie nickte Richtung Bücherwand. »All die Bücher, und Foreign Affairs auf dem Couchtisch. Oder soll das nur gut aussehn?«
»Ich bin bloß neugierig, was sie früher gemacht haben und nächstens machen werden. Die Politiker, meine ich.«
Lace holte wieder die Schachtel Sherman aus ihrer Handtasche und zündete sich eine Zigarette an, nachdem Durant dankend den Kopf geschüttelt hatte. »Sie sind nicht verheiratet, oder?«
»Nein.«
»Mögen Sie Frauen?«
»Wieso?«
»Nun ja, ich sitze hier seit einer halben Stunde, und nichts ist passiert – keine Komplimente, kein lüsterner Blick. Also bin ich neugierig geworden.«
Durant starrte sie einen Augenblick lang an, lächelte dann kaum merklich und sagte: »Das Bett ist frisch bezogen, Mrs. Piers, falls Sie ficken wollen.«
Die Röte begann an ihrem schlanken Hals und stieg rasch bis ins Gesicht. Irgendeine Antwort lag ihr auf der Zunge, eine bittere, schien es Durant, aber statt dieser Antwort sagte sie: »Das war überflüssig, oder?«
Durant zuckte mit den Achseln. »Es hat die Lage geklärt.«
»Ihr Privatleben geht mich einen Dreck an.«
»Das stimmt«, sagte er. »Ich bin nichts weiter als ein Handlanger, der Ihre Schwester findet oder nicht.«
»Glauben Sie, daß Sie es schaffen?«
»Keine Ahnung.«
»Wann fangen Sie an?«
Durant ließ seine Augen über ihren Körper wandern. Sein Blick knöpfte ihre Bluse auf und streifte sie ab und zog ihr dann die Hose aus. Lace schlug die Beine übereinander.
»Wann fangen Sie an?« fragte sie wieder.
Er lächelte. »Nach Ihrer Schwester zu suchen?«
»Ja.«
Er ließ das Lächeln auf seinem Gesicht. »Ich habe schon angefangen.«
Zehn
Artie Wu bewohnte mit seiner Familie einen im spanischen Missionsstil erbauten Bungalow auf der Ninth Street in Santa Monica, einer ausgedörrten, einschläfernden Stadt, die so still und kommerzfrei war, daß sie dem gelegentlichen Kauflustigen, der sich zufällig innerhalb ihrer Grenzen verirrte, kostenlose Einstellplätze in ihren Parkhäusern anbieten konnte.
Das Haus hatte ein rotgeschindeltes Dach, weiß verputzte Mauern, Bogenfenster und einen tadellos geschorenen Rasen, für dessen Pflege Wu einen hohen Tribut an den zwölfjährigen Freibeuter entrichtete, der nebenan wohnte. Der rückwärtige Garten, der bei der Wahl des Hauses den Ausschlag gegeben hatte, war von einem hohen Zaun umgeben, hatte einen Sandkasten, einen Hain von sechs hohen Eukalyptusbäumen und ein paar Kahlstellen im Rasen, die sich nach einem Regen als Material für Schlammkuchen förmlich anboten. Hier im Garten verbrachten Wus zwei Paar Zwillinge viel Zeit, beaufsichtigt von der neunzehnjährigen Lucia Reyes, die illegal aus Sonora eingewandert war und den Kindern Spanisch
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