Wu & Durant 01 - Umweg zur Hölle
kann sich stundenlang darüber verbreiten, wenn man sie läßt, und sie erzählt ausgesprochen witzig und amüsant. Ja, und dann zapfte er mich an, und ehe ich überhaupt begriff, was ich da machte, hörte ich mich vom Leder ziehen, wie brillant und gescheit ich sei, und das zehn Minuten lang, und als ich fertig war, war es mir nicht mal peinlich.«
»Und so verging der Abend.«
»Genau. Die Stimmung war blendend, was aus Küche und Keller kam, exquisit. Erst auf dem Weg nach Hause hatte ich das eindeutige Gefühl, von ihm reingelegt worden zu sein. Er muß Charme studiert haben wie ich Elektronik, nur daß er auf seinem Gebiet besser ist als ich auf meinem – und ich bin nicht gerade eine Niete.«
»Ein charmanter Einsiedler also?«
»Klingt paradox, oder?«
Durant nickte.
»Wie war denn der Eindruck Ihrer Frau von ihm?«
»Damals waren wir noch nicht verheiratet, 1970. Aber sie meinte, wenn sie je Bedarf an einer durchschnittenen Kehle hätte, ginge sie zu ihm, weil er mit Sicherheit nicht nur wüßte, wie man das macht, sondern auch noch wüßte, wie man es zu einem Vergnügen für das Opfer macht.«
Durant zündete sich eine Zigarette an, die dritte des Morgens. »Sie haben ihn noch ein zweites Mal getroffen, sagten Sie.«
Piers nickte langsam und trank Kaffee. »Ende 1970. Unten in Miami. Ich fuhr hin, um unsern Anspruch auf Ivorys Leiche geltend zu machen. Weder Lace noch Silk brachten es über sich, also fuhr ich. Er tauchte urplötzlich auf. Obwohl Ivory und er sich längst getrennt hatten, wollte er sie sehen. Er wollte auch, daß ich ihn begleite. Ich ließ mich überreden, wartete aber draußen. Ivory war nicht mehr hübsch. Sie hatte schon lange aufgehört, richtig zu essen, und die Drogen und die Horrortrips hatten aus ihr ein Wrack gemacht.
Als er wieder erschien, weinte er. Er schluchzte nicht oder so was, er weinte auf eine merkwürdig stille, würdige Weise. Ich kann das nicht erklären. Vielleicht hat er auch das irgendwo gelernt. Aber, Herrgott, machte er es gut. Er sagte mir, er wolle ihren Leichnam. Er wollte ihn im Park seines Besitzes in Bel Air begraben. Ich lehnte ab, ihre Schwestern hätten bereits alles in die Wege geleitet, um Ivory neben den Eltern in Arkansas zu beerdigen. Er nickte, als verstünde er das nur zu gut. Er weinte immer noch, aber er entschuldigte sich nicht dafür oder so. Dann fragte er mich, was die Polizei ermittelt hätte. Ich sagte ihm, die Polizei glaubte, Ivory hätte von dem kubanischen Hotelpagen schlechtes Heroin gekauft, könnte es aber nicht beweisen. Er nickte, als interessierte es ihn nicht sonderlich, dann verabschiedeten wir uns voneinander. Ich habe ihn nicht wiedergesehen. Aber es gibt ein PS.«
»So?«
»Zwei Tage später wurde der Hotelpage aus dem Meer gefischt, mit durchgeschnittener Kehle. Es gibt auch noch ein PPS.«
»Und das wäre?«
»Zwei Wochen nach Ivorys Beerdigung in Arkansas hat irgendwer den Sarg ausgegraben und ist damit verschwunden. Wie gefällt Ihnen das?«
Durant schüttelte langsam den Kopf. »Nicht sehr.«
»Silk auch nicht. Sie wollte Himmel und Hölle in Bewegung setzen. Gottlob konnten Lace und ich es ihr ausreden.«
»Er ist also auch ein Gefühlsmensch.«
»Oder wunderlich.«
»Oder beides«, sagte Durant. »Was wissen Sie über seine Verbindungen nach Washington?«
Diese Frage überraschte Piers, und man sah es ihm an. Seine Augenbrauen gingen hoch, seine Mundwinkel runter. »Keine Ahnung«, sagte er. »Gibt es welche?«
»Nur ein Gerücht, und das auch noch ziemlich unterste Kiste.«
»Und wer streut es aus?«
»Der Name dürfte Ihnen nichts sagen.«
Piers’ Gesichtsausdruck war jetzt skeptisch und wachsam. »Sie verbringen ein paar Stunden unten in Pelican Bay und kommen mit einer satten Story über einen Syndikatsboss und seine Drähte nach Washington zurück. Gibt’s das überhaupt?«
»Es gibt alles mögliche. Und wenn wir nach Ihrer Schwägerin suchen sollen, müssen wir zwangsläufig überall herumstochern, um herauszufinden, wo wir überhaupt zu suchen haben. Irgendwelche Einwände?«
Piers stand auf. »Keine. Ich bezahlte Sie nicht für orthodoxe Arbeitsmethoden.« Er machte sich auf den Weg zur Tür, blieb dann aber noch einmal kurz stehen. »Übrigens, als meine Frau hier war, haben Sie da einen Annäherungsversuch bei ihr gemacht?«
Durant blickte Piers sekundenlang prüfend an, ehe er antwortete. Irgend etwas lag in seinen Augen, dachte Durant, vielleicht Traurigkeit? Schließlich
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