Wu & Durant 01 - Umweg zur Hölle
als ganz amüsant erweisen.
Die Abzweigung, die Simms suchte, lag etwa zwei Meilen weiter oben in den Hügeln. Der Weg war schmal und kurvig und endete vor der Hügelkuppe. Zwei enorme, aus Frankreich importierte Eisentore versperrten die Zufahrt, die zusätzlich von drei Wachmännern rund um die Uhr kontrolliert wurden.
Der Wachmann trug keine Uniform, es sei denn, man hielt ein Shetland-Tweedjackett und graue Flanellhosen für eine Uniform: eine privatschulmäßige, die irgendwie nach den 50er Jahren und verlorener Unschuld roch. Durchaus nichts Unschuldiges war jedoch an dem Wachmann, der jetzt mißtrauisch aus seinem dreißig Jahre alten Gesicht auf Simms herabblickte.
»Mr. Simms?« sagte er mit nichts als Zweifel in der Stimme.
»Ja.«
»Erlauben Sie?« sagte der Wachmann und streckte die Hand aus.
Simms holte seinen Führerschein hervor und reichte ihn dem Wachmann, der mehrfach zwischen Farbfoto im Ausweis und Simms hin- und herblickte. Nicht, daß ihm Simms unbekannt gewesen wäre, aber in seinem Job machte man keine Fehler. Fehler konnten tödlich sein – oder schlimmer.
Der Wachmann ging mit Simms’ Führerschein zum Tor und benutzte ein Haustelefon. Während er redete, ließ er Simms nicht aus den Augen. Schließlich legte er auf, kehrte zum Jaguar zurück und händigte Simms mißmutig den Führerschein aus.
»Okay, Mr. Simms«, sagte er und bediente einen Knopf, der die beiden Torflügel automatisch öffnete. Simms fuhr langsam weiter – über sorgsam gekämmten Kies, der laut unter den Reifen knirschte. Aber dafür war er schließlich da, um Lärm zu machen. Viel Lärm.
Die rund zehn Morgen Land, die Imperlinos Besitz ausmachten, waren von einem erstklassigen Gartenarchitekten künstlerisch gestaltet worden, aber Simms sah nichts weiter als grüne Bäume und Büsche und Sträucher, und Blumen in Gelb oder Rot oder Blau oder Purpur. Simms hatte sich noch nie für Gärten interessiert und kannte bis auf Rosen und Tulpen keine Blume mit Namen. Das war keine Koketterie, es war schlicht das absolute Desinteresse an wachsendem, blühendem Grünzeug.
Simms bevorzugte Dinge, die von Menschen gebaut und gefertigt waren. Deshalb fuhr er auch mit einiger Spannung hügelaufwärts, denn auf der anderen Seite des Hügels, in einer Art Mulde, lag Imperlinos Traum, sein Kindertraum, den er wahrgemacht hatte: das Haus, das, wie Simms wußte, Imperlinos ganz privater, launiger Scherz war.
Reginald Simms gehörte wahrscheinlich zu den vier oder fünf Personen in den Vereinigten Staaten, die wußten, daß Imperlino seinem Architekten ein vierzig Jahre altes Märchenbuch mit Eselsohren und Schokoladenflecken hingelegt, eine Seite aufgeschlagen, auf eine Illustration gedeutet und gesagt hatte: »So soll es aussehen.«
»Genauso?« hatte der Architekt gefragt.
»Genauso«, hatte Imperlino angeblich geantwortet, »nur größer.« Simms stoppte nicht auf der Hügelkuppe, weil er das für unklug hielt, verlangsamte aber sein Tempo noch weiter, um den Anblick genießen zu können.
Das Haus war, genau betrachtet, zu groß, als daß man hätte sagen können, es schmiege sich an den Hang, aber irgendwie schien es sich doch zu schmiegen. Das mochte an den hohen Kiefern und Eukalyptusbäumen liegen, die beschützend das ganze Haus einrahmten und mit ihren Wipfeln fast bis zur Spitze des Südturms reichten, in dem laut Märchenbuch die gute Fee gehaust hatte.
Das Dach war mit Schindeln aus Zedernholz gedeckt, die bleiverglasten Fenster, allesamt zweiflügelig und unterschiedlich groß, waren beinahe willkürlich ins mächtige Mauerwerk aus Ziegeln gesetzt, das nach achtzehntem Jahrhundert aussah und bis auf wenige Teile auch achtzehntes Jahrhundert war, weil man es aus abbruchreifen Häusern in Boston und Richmond geborgen hatte.
Das Haus bestand aus drei Ebenen, rechnete man den Turm mit, aus vier. Und es war unverkennbar das Haus der guten alten Fee, die vor langer, langer Zeit irgendwo in England gelebt hatte. Es war aber gleichermaßen der überwältigende Beweis für die Möglichkeit, schnurrige Träume Wirklichkeit werden zu lassen – wenn man das Geld dazu hatte. Eine Menge Geld, schätzte Simms, eine verdammte Menge Geld.
Als Simms seinen Jaguar hinter einem dunkelgrünen Lincoln Continental geparkt hatte, stieg er aus und machte sich auf den Weg zu dem schweren Eichenportal mit seinen seltsamen Schnitzereien und seinen Eisenbeschlägen. Die Schnitzereien sollten magische Schriftzeichen sein, aber genau
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