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Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt

Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt

Titel: Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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beinahe.
    Stallings ergriff die leere Papiertüte, zerknüllte sie, erhob sich rasch, eilte zum Abfallkorb und warf sie hinein. Nachdem er die Straße überquert hatte und bei der Reihe von Münzfernsprechern neben dem Peoples Drugstore angelangt war, warf er einen Vierteldollar ein, die einzige Münze, die er immer absichtlich bei sich hatte, und wählte die Nummer seines Schwiegersohnes, des Strafverteidigers.
    Als es klingelte, war Stallings überzeugt, daß sein Schwiegersohn eine neue Telefonnummer haben würde, unter der er Otherguy Overby erreichen könnte. Und er war sich ebenso sicher, daß Overby inzwischen etwas in der Mache haben würde. Etwas, in das sich Stallings einkaufen könnte. Etwas Interessantes, anderes draußen am Rand der Welt vielleicht – oder ganz egal wo.

Alles ist wahr, nichts ist wirklich
    »Narrare necesse est«
    Odo Marquard
     
    »Woher beziehen Sie eigentlich diese absonderliche Idee, Sie hätten ein zwingendes Anrecht darauf, nichts als die Wahrheit erzählt zu bekommen?« fragt einmal eine besonders undurchsichtige Figur aus dem von undurchsichtigen Figuren wimmelnden Universum von Eric Ambler. Ausgerechnet Eric Ambler hat man immer wieder unterstellt, er erkläre mit seinen Romanen aus Politik und Wirtschaft, wie es »zugeht auf der Welt«. Dankbar griff man diesen Schnipsel auf, den Ambler irgendwo am Wegesrand unzähliger Interviews und Statements hatte fallenlassen, und war damit schon in eine typisch Amblersche Falle gerannt.
    Ähnliches passiert bei Ross Thomas immer wieder. Und noch extremer. Eric Ambler war beileibe kein naives Gemüt, was man auch daran sieht, daß er von dem kapitalen Skeptiker Ross Thomas hoch verehrt wurde. Aber verglichen mit Ross Thomas war vermutlich sogar Ambler ein klein wenig harmlos. Daß aber Ross Thomas ein eminent intelligenter Speier und grandios komischer Spötter, sogar ein sensibler Moralist, ein abgezockter, hoch bewußter, hervorragend informierter und pausenlos reflektierender Mensch war, würde noch nichts besagen, wenn nicht alle diese Eigenschaften grundlegend für seine Romane wären.
    Auf die harmlose Interview-Standard-Frage, was denn »wahr« sei in seinen Romanen, antwortete er gerne stoisch: »Nichts ist wahr. Nichts ist wahr in allen meinen Romanen. Man nimmt einen kleinen Zwischenfall und vergrößert ihn tausendfach …« Nur um ein paar Sekunden später charmant plaudernd zu behaupten, der Wahlkampf, den er in den I950ern im Dienste der dubiosen Londoner Beratungsfirma »Batten, Barton, Durstine & Osborne« und damit womöglich noch dubioserer Hinterleute für den nigerianischen Politiker Obafemi Awolowo geführt (und verloren) hatte, sei mehr oder weniger genau in seinem Roman The Seersucker Whipsaw (Urne oder Sarg, Sir?) geschildert.
    Ja, was denn nun?
    Besonders massiv stellt sich diese Frage bei den Romanen, die ganz nahe am realen Zeitgeschehen spielen. Das ist, neben Ross Thomas’ letztem Buch, Ah, Treachery! (Die im Dunkeln), am ehesten bei Out on the Rim (Am Rand der Welt) der Fall.
    Out on the Rim, geschrieben 1986/87, erschienen 1987, handelt notwendigerweise im Jahr 1986. Kein anderes Datum würde funktionieren. In keinem anderen Roman legt Ross Thomas so peniblen Wert auf die Echt-Zeit.
    Die Haupthandlung beginnt an den welthistorisch nicht ganz bezugslosen »Iden des März«, also am Samstag, dem 15. März 1986, um 15.00 Uhr. Er endet am Freitag, dem 16. Mai, kurz nach 12.45 Uhr – an dem Tag, an dem »Boswell … im Jahre siebzehnhundertnochwas zum ersten Mal Dr. Johnson begegnet war«. Wobei »siebzehnhundertnochwas« 1762 war, was Ross Thomas natürlich genau weiß. Aber so auffällig möchte er die Rahmung seiner Handlung durch zwei unterschiedlich relevante Daten der Geschichte doch nicht gestalten – wobei das literaturhistorisch bedeutsame Treffen von James Boswell und Samuel Johnson die komische Fallhöhe zur welthistorisch bedeutsamen Ermordung Gaius Julius Caesars schafft. Auf die ironische Tragödie folgt auch bei Ross Thomas das Satyrspiel …
    Out on the Rim, am Rand der Welt, nämlich auf den Philippinen, passierte in diesem »Zeitfenster« des Jahres 1986 folgendes: Am 25. Februar schafft es eine breite, wenn auch nicht einige Opposition aus Kirche, Militär und »Linke«, genannt das »Parlament der Straße«, den Präsidenten Ferdinand W. Marcos nebst Gattin Imelda (die mit den vielen Schuhen) aus dem Amt zu drängen. Marcos und seine Kamarilla werden von US-Hubschraubern ausgeflogen. Er

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