Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
Frühstücksbesprechung in der Polo-Lounge des Beverly Hills Hotels sei einfach eine Frage des Vorteils.
»Dieser Bursche, Harry Crites – der Dichter, über den ich mir was angelesen habe –, na ja, der fliegt gestern spätabends von Washington rüber und läuft immer noch auf Ostküstenzeit, richtig? Wir holen ihn also diesen Morgen um, sagen wir, sechs, halb sieben aus dem Bett, und das schmeißt seinen Biorhythmus völlig aus dem Gleichgewicht, und das verschafft uns einen Vorteil. Keinen großen, aber immerhin.«
»Seinen Biorhythmus«, sagte Stallings.
»Genau.«
Stallings schielte zu Overby hinüber, der am Steuer des gelben Porsche 911 Cabrio aus dem Stall des nach wie vor eingekerkerten Billy Diron saß. Sie rollten über den Pacific Coast Highway in Malibu und näherten sich dem Getty-Museum. Es war 7.04 Uhr, ein Samstag, und der dritte Frühlingstag des Jahres 1986.
»Sie glauben also, sein aus dem Gleichgewicht geworfener Biorhythmus wird uns irgendwie helfen, die fünf Millionen zu mopsen?«
»Mopsen? Fünf Millionen Mäuse mopst man nicht. Man … befreit sie.«
Stallings gluckste. »Vielleicht sollte ich Ihnen die Namen von zwei oder drei Dutzend Ländern aufzählen, die unter dem leuchtendem Banner der Befreiung einkassiert und ausgeplündert worden sind.«
Overby bedachte ihn stirnrunzelnd mit einem raschen Blick. »Hören Sie«, sagte er. »Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, auf die Sie mir nicht zu antworten brauchen. Haben Sie vielleicht komische politische Ansichten? Nicht daß ich einen Scheiß drauf gebe, aber irgendwie möcht ich’s gern wissen.«
»Komisch?«
»Rot. Rouge. Rosa.« Er hielt inne. »Moskau, Peking, Havanna vielleicht?«
»Nein«, sagte Stallings mit einem Lächeln. »So gesehen hab ich überhaupt keine politischen Ansichten.« Wieder gluckste er. »Welcher Art sind Ihre – wenn ich so kühn sein darf?«
Overby schien ernsthaft über die Frage nachzudenken. »Na ja, man könnte mich wohl irgendwie als Republikaner bezeichnen, bloß mach ich mir nicht mehr die Mühe, zu den Wahlen zu gehen.«
»Sie machen sie sich nicht – oder Sie dürfen nicht, wegen des einen oder anderen Eintrags in Ihrem Vorstrafenregister?«
Overby zog sich an jenen abgelegenen und frostigen Ort zurück, wohin ihn Stallings schon zuvor hatte verschwinden sehen. Es ist seine »Verpißt euch«-Zuflucht, dachte er.
»Ich wüßte nicht, daß Sie das einen verdammten Dreck angeht«, sagte Overby mit seiner immer überraschenden Würde.
»Sie haben recht«, sagte Stallings. »Tut es nicht.«
Der Parkwächter bedachte den gelben Porsche mit einem Blick des Wiedererkennens, als Overby ihn in der Auffahrt des Beverly Hills Hotels zum Halten brachte. Der Wächter öffnete Overbys Tür und sagte: »Wann kommt Billy raus, Otherguy?«
»Morgen oder vielleicht übermorgen, und paß auf den verdammten Lack auf«, sagte Overby, während er aus dem Auto stieg. Als sie die Hoteltreppe hinaufgingen, wandte sich Overby um und musterte Stallings von oben bis unten. »Legen wir einen Zwischenstopp auf dem Klo ein«, sagte er.
»Ich warte auf Sie.«
Ein leichter Ausdruck von Gereiztheit flackerte in Overbys Gesicht auf. »Hören Sie. Wenn ich so was sage, dann bestimmt nicht bloß, weil ich Gesellschaft brauche.«
Stallings’ Mundwinkel senkten sich zu einem mimischen Schulterzucken. Er bedeutete Overby voranzugehen, und folgte ihm den Flur entlang zur Herrentoilette.
An diesem dritten Frühlingstag trug Stallings einen neuen, hellbraunen Popelineanzug und ein blaues Hemd mit gestärktem Kragen, dazu die braungold gestreifte Krawatte irgendeines aufgelösten Regiments und eine goldene Krawattennadel. Anzug, Hemd, Krawatte, Nadel und ein Paar Schnürschuhe aus Ziegenleder waren Teil der Garderobe, die Otherguy Overby zwei Tage zuvor in Lew Ritters Herrenbekleidungsladen am Wilshire Boulevard für Stallings ausgesucht hatte, wobei er einen Aufschlag für Änderungen und Lieferung bis zum nächsten Tag gezahlt hatte.
Danach hatte Overby Stallings zu einem Coiffeur an der Melrose gefahren und fünfundachtzig Dollar in einen Haarschnitt samt Gesichtspflege und Maniküre investiert. Auf dem Weg zum Friseur hatte ein amüsierter Stallings Overby dabei zugehört, wie er seine Taktik darlegte.
»Ich weiß nicht, wie lange es her ist, seit Sie draußen am Rand der Welt waren«, hatte Overby mit einer ausschweifenden Geste gesagt, die die Welt westlich von Catalina und östlich von China einschloß.
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