Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
vermutete, notdürftig als Schalldämpfer gedient hatte.
Während er sich im Zimmer umschaute, nahm er die zerknüllten Bettücher wahr, und er bemerkte, daß Boy Howdys Kleidung gewissermaßen eine Spur zum Bett bildete. Das Hemd war zuerst abgestreift worden, gefolgt von Netzunterhemd und dann den Hosen, den Jockey-Shorts und schließlich den Schuhen. Weil er sich fragte, wo die Socken waren, blickte Wu zurück und entdeckte ein Paar weiße baumwollene an den Füßen des toten Mannes. Die Socken ließen ihn ob seiner Beobachtungsgabe ein wenig mit sich hadern.
Wu hob Boy Howdys Hosen auf und durchwühlte die Taschen, ohne etwas Interessantes zu finden. Auf dem Bett lag ein zweites dünnes Kissen, doch darunter war nichts. Wu hob die Matratze an und fand, was er suchte – Boy Howdys Brieftasche.
Es war eine große abgewetzte Brieftasche aus Straußenleder, sehr alt, sehr dick; sie enthielt 585 Pesos, 800 Dollar in American-Express-Reiseschecks, drei Kreditkarten, einen Führerschein, zwei Kondome, einige Quittungen und einen Bogen Briefpapier des Magellan-Hotels, eben jenen Bogen, auf den Georgia Blue die passable Kopie von Booth Stallings’ Karte gezeichnet hatte.
Wu legte die Brieftasche dahin zurück, wo er sie gefunden hatte, und nahm die Skizze mit zum Schreibtisch. Dort standen ein Telefon, eine Flasche Dewar’s Scotch Whisky, eine Schale mit halb geschmolzenen Eiswürfeln und zwei Gläser, von denen nur eines benutzt war. Ferner befand sich da ein Stapel von neun Bögen Papier mit dem Briefkopf des Cebu-Plaza-Hotels. Ein Hotelkugelschreiber lag diagonal über dem obersten Blatt.
Wu knipste die Schreibtischlampe an, zog die Karte, die Georgia Blue für ihn und Durant gezeichnet hatte, aus seiner Gesäßtasche und verglich sie mit der, die er in Boy Howdys Brieftasche gefunden hatte. Die beiden Skizzen, offensichtlich von derselben Hand stammend, waren praktisch identisch, abgesehen davon, daß die Punkte A und B auf der für Wu und Durant angefertigten Karte um einen Kilometer nach Westen beziehungsweise nach Osten verschoben waren.
Wu lächelte und nickte anerkennend angesichts des geschickten Täuschungsmanövers. Er griff nach der Scotchflasche und schnupperte am Inhalt. Es roch nach echtem Scotch Whisky, also nahm er zwei Schluck direkt aus der Flasche. Als er sich mit dem Taschentuch den Mund abtupfte, klopfte jemand an der Tür. Es war nicht das höfliche, zaghafte Klopfen eines Zimmermädchens, sondern eins von der harten »Sofort aufmachen«-Sorte.
Wu antwortete mit einem lauten Knurren, mit dem er zu verstehen gab, daß er kommen werde, sobald er sich etwas übergezogen habe. Er musterte die beiden Skizzen, die Seite an Seite lagen, legte sie aufeinander und faltete beide knapp unterhalb des Magellan-Hotel-Briefkopfs. Er riß beide Briefköpfe an der Falte ab und stopfte sie in die Tasche.
Rasch ging Wu zum Bett, zog Boy Howdys Brieftasche unter der Matratze hervor, legte die falsche Skizze, die Georgia Blue für ihn und Durant angefertigt hatte, hinein und schob die Brieftasche wieder in das originelle Versteck. Die Skizze, die er in Howdys Brieftasche gefunden hatte, wanderte unter das Elastikband von Wus linker wadenlanger schwarzer Socke.
Wieder wurde hart an die Tür geklopft. Wu blickte sich erneut im Zimmer um und ging zur Tür, wobei er nur einmal innehielt, um die Schreibtischlampe auszuschalten. Er öffnete die Tür und stand dem Pärchen mit dem »Made in the USA«-Aussehen gegenüber. Keiner machte einen Versuch, die Überraschung zu verbergen. Der Ältere des Pärchens, Weaver P. Jordan, erholte sich zuerst, setzte sein schmallippiges, zahnloses Lächeln auf und sagte: »Ich habe Ihnen doch gesagt, wir sehen uns in Cebu wieder.«
Wu nickte freundlich. »Das haben Sie.«
Der Elegantere der beiden, Jack Cray, trug einen anderen Anzug, aber dieselbe argwöhnische Grimasse. »Wo ist Howdy?«
Wu schüttelte bekümmert den Kopf und erwiderte in angemessen gedämpftem Tonfall: »Erschossen, wie es scheint.«
Obwohl Wu bereits dabei war, ein Stück zurück und zur Seite zu treten, sagte Weaver Jordan dennoch: »Gehen Sie verdammt noch mal aus dem Weg«, während er, gefolgt von Jack Cray, an ihm vorbei in das Hotelzimmer stürmte.
Jordan kreiste dreimal langsam um den toten Boy Howdy, während Cray ein paar Schritte entfernt stehenblieb. Sein Blick war nicht auf den Leichnam gerichtet, sondern schweifte im Zimmer umher, offensichtlich – wie Artie Wu vermutete – auf der Suche
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