Wu & Durant 03 - Voodoo, LTD.
addierte Durant die Anzahl derer zusammen, die für ihn Gegner, wenn nicht gar Feinde waren, und er kam auf insgesamt siebzehn – darunter fünf Frauen. Sechs von ihnen waren mit Camcordern bewaffnet, die anderen hatten eine oder mehrere Kleinbildkameras. Sie waren alle gleich jung, gleich schmuddelig und, wie Durant fand, in etwa so sympathisch wie Nebelkrähen.
»Was soll ich machen – abtauchen?« fragte die Gamble.
»Sie einfach ignorieren.«
Er hielt den Wagen mitten auf der Straße an, schob den Hebel der Automatik in Leerlaufstellung und trieb den Motor auf zirka fünfhundert Umdrehungen pro Minute. Die Paparazzi, die völlig unbeeindruckt waren, bildeten, keine zwölf Meter vor ihnen, eine unregelmäßige Reihe quer über die Straße. Durant setzte den linken Fuß fest auf das Bremspedal, legte den Gang ein, jagte den Motor wieder auf höchste Drehzahlen und nahm den Fuß von der Bremse.
Der Mercedes machte einen Satz nach vorne, seine breiten Hinterreifen krallten sich in den Asphalt. Die Beschleunigung preßte Durant und die Gamble in die Sitze zurück. Durant hatte irgendwo gelesen, daß der 500 SL von 0 auf 100 in weniger als sieben Sekunden beschleunigen konnte. Diese Behauptung schien ihm nicht aus der Luft gegriffen zu sein.
Die Paparazzi blieben nur für den Bruchteil einer Sekunde unschlüssig, dann stoben sie auseinander, die meisten von ihnen zur Beifahrerseite des Wagens. Ihnen blieb nicht einmal eine Sekunde, um zu zielen und auszulösen, als der Sportwagen vorbeiraste, dessen Insassen stur geradeaus starrten. Als die Fotografen sich schließlich auf ihre Lieferwagen und PKW verteilt hatten, war der Mercedes längst um die nächste Ecke verschwunden und raste auf der Seventh Street in südlicher Richtung davon.
Ione Gamble mußte zu einem Ärztehaus an der Ecke Wilshire und San Vicente Boulevard. Aber anstatt den direktesten Weg zu nehmen, der über den San Vicente Boulevard in östlicher Richtung geführt hätte, fuhr Durant durch kleine, von Bäumen gesäumte Nebenstraßen, bog an beinahe jeder Kreuzung nach Norden oder Süden ab, behielt aber im Grunde die östliche Richtung bei.
Schließlich sagte Ione Gamble: »Irgendwie scheinen Sie sich hier auszukennen.«
»Wu und seine Frau haben in Santa Monica gelebt.«
»Und Sie?«
»In Malibu – Paradise Cove.«
»Wo die Rumfrachter ihre Ladung gelöscht haben – während der Prohibition.«
»Das hab’ ich um etwa fünfzig Jahre verpaßt.«
»Sie waren also in den Siebzigern dort?«
»In den späten Siebzigern«, antwortete er.
»Seit wann leben Sie in London?«
»Seit beinahe fünf Jahren.«
»Gefällt’s Ihnen?«
»Ich weiß es immer noch nicht.«
»Hören Sie«, sagte die Gamble, »egal, wie laut die da oben auch protestieren, ich will, daß Sie bei mir bleiben, von der ersten bis zur letzten Sekunde.«
»Sie werden denen nichts verraten.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Weil er beide Hände in Ihrem Mund haben wird.«
Dr. Melvin Unger war nicht besonders scharf auf Zuschauer. Ione Gamble machte ihm klar, daß ihr Weisheitszahn bleiben würde, wo er ist, wenn Mr. Durant nicht anwesend sein dürfe. Dr. Unger, ein etwas blasser, sehr magerer Mann mit sanften braunen Augen, die entweder ausgesprochen freundlich oder ausgesprochen traurig schauten, blieb beinahe zehn Sekunden lang standhaft, dann gab er auf und gestattete, daß Mr. Durant im Behandlungszimmer blieb.
Der Doktor war ein Anhänger der vierhändigen Behandlungsmethode, deshalb ließ er seine zahntechnische Assistentin die Spritze mit Pentothal setzen. Ione Gamble lag jetzt beinahe in der Horizontalen auf dem Behandlungsstuhl. Als die Nadel ihr in eine Vene am linken Arm gestochen wurde, bat man sie, von zehn ab rückwärts zu zählen. Sie kam bis sechs, dann versank sie in dunkler Nacht.
Die Extraktion des Weisheitszahns dauerte nicht einmal zehn Minuten. Durant rechnete aus, daß Dr. Unger auf einen Stundenlohn von ungefähr 7200 Dollar kommen mußte, wenn er auf vollen Touren arbeitete. Ione Gamble war noch nicht zu sich gekommen, als Durant und die zahntechnische Assistentin sie mehr oder weniger in den Ruheraum schleppten und sie dort auf eine schmale Liege betteten.
Die Technikerin drückte Durant eine Schachtel Kleenex in die Hand und sagte: »Eigentlich sollte es nicht mehr bluten, und sonst geben Sie ihr ein paar von denen.«
»Wie steht’s mit Schmerzen?«
»Keine Schmerzen«, sagte sie. »Höchstens ein leichtes
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