Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wuensch dir was

Wuensch dir was

Titel: Wuensch dir was Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adena Halpern Ursula C Sturm
Vom Netzwerk:
gekümmert hast – um Grandpa Howard und Mom und mich und Frida … Gram, wann hast du dir je etwas Gutes getan, ohne darüber
nachzudenken, welche Auswirkungen dein Verhalten auf andere Menschen hat?«
    »So sind eben die Frauen in meiner Generation.« Ich zuckte die Achseln. »Das liegt an unserer Erziehung.«
    »Okay, aber weißt du was? Jetzt hast du die Gelegenheit, einen Tag als Angehörige meiner Generation zu verbringen … und glaub mir, es ist die selbstsüchtigste Generation, die die Welt je gesehen hat. Wir denken immer nur an uns selbst.«
    »Genau das ist das Problem, Lucy. Ich entstamme nicht deiner Generation, sosehr ich es mir auch wünschen würde. Ich habe nie gelernt, wie du zu denken.«
    »Na und? Dann probierst du es eben einen Tag lang aus. Gönn dir ein Mal in fünfundsiebzig Jahren eine kurze Auszeit, von dir selbst, von deiner Generation. Leb, wie die Menschen meiner Generation leben. Bist du dir das nicht schuldig?«
    »Nein, Lucy«, erwiderte ich unnachgiebig. »Das habe ich nicht verdient. So etwas kann man sich auch gar nicht verdienen. So läuft das einfach nicht im Leben.«
    Lucy schnaubte entnervt. Derart aufgebracht hatte ich sie noch nie erlebt. Sie suchte sichtlich noch nach Worten, aber ich würde mich nicht umstimmen lassen. Ich wusste, dass es falsch war und dass ich etwas dagegen unternehmen musste.
    Doch dann sagte sie etwas, das mir zu denken gab.
    »Wie kommt es dann, dass du dir so sehnlich gewünscht
hast, noch einmal einen Tag lang jung zu sein, wenn es gar nicht ernst gemeint war? Warum hast du dieses Geschenk erhalten, wenn du gar nicht davon Gebrauch machen willst? Vielleicht gibt es ja einen logischen Grund. Vielleicht musst du eine Aufgabe erledigen oder etwas über dich selbst in Erfahrung bringen. Ich weiß nur, dass du es tun musst, Gram, und deshalb sage ich es noch ein allerallerletztes Mal: Denk einmal in deinem Leben zuerst an dich … Und falls du dafür wirklich zu selbstlos sein solltest, weil du so erzogen worden bist, dann bitte ich dich, tu es für mich, Gram.«
    Ich musterte sie verwirrt. »Was hättest du denn davon?«
    »Na, was meinst du, wie viele Menschen haben die Gelegenheit, mit ihrer gleichaltrigen Großmutter abzuhängen?«
    »Hm, da hast du allerdings Recht. Ich nehme an, das ist noch nie vorgekommen.«
    »Genau. Also, wenn du es nicht für dich selbst tun kannst, dann tu es für mich! Schenk mir einen Tag, um meine Großmutter so zu sehen, wie sie in meinem Alter ausgesehen hat, und zwar nicht bloß auf ein paar unscharfen Schwarzweißfotos. Denk doch mal darüber nach, wie viel mir das bedeuten würde! Ich würde diesen Tag nie vergessen. Stell dir vor, was ich alles daraus lernen könnte.«
    »Aber mein Wunsch war doch gar nicht so ernst gemeint!«, behauptete ich.

    »Ach ja?« Sie trat einen Schritt zurück. »Ich habe mir zum sechzehnten Geburtstag ein Auto gewünscht. Bekommen habe ich einen Computer. Wenn ich mir dich so ansehe, habe ich mir mein Auto bloß nicht fest genug gewünscht.« Sie schob mich vor den Spiegel neben der Wohnungstür, um mir noch einmal mein neunundzwanzigjähriges Selbst vor Augen zu führen.
    Ich musste lachen. Meine Enkelin hatte völlig Recht. Was fiel mir eigentlich ein, dieses Geschenk nicht anzunehmen? Das stand mir gar nicht zu. Zum Teufel mit Barbara, zum Teufel mit Howard und – selbst wenn mich schon bei dem bloßen Gedanken daran das schlechte Gewissen plagte – zum Teufel mit Frida. Ich würde verdammt noch mal einen Tag lang so richtig auf den Putz hauen. Ich würde meine Sehnsüchte ausleben. Ich würde leben wie eine Neunundzwanzigjährige.
    Ich lächelte sie an. »Du bist ein kluges Mädchen.« Sie legte mir den Arm um die Schultern. »Das verdanke ich meiner Großmutter.«
    »Also gut«, sagte ich. »Aber nur für einen Tag. Und das war’s dann. Ich werde mir neue Kerzen besorgen, sie um Mitternacht auf die Torten stecken und anzünden, und morgen wird uns das alles nur noch wie ein Traum vorkommen.«
    »Wie du meinst.« Sie hob ergeben die Hände. »Ich bitte dich nur um diesen einen Tag deines – unseres – Lebens.«
    Bei diesem Gedanken stiegen mir erneut Tränen in die Augen, und zum zweiten Mal an diesem Tag weinte
ich so herzzerreißend, wie ich seit fünfzig Jahren nicht geweint hatte, abgesehen von dem Tag, an dem Howard tot umgefallen war.
    »Sind das jetzt Freudentränen oder Tränen der Angst?«, wollte Lucy wissen.
    »Freudentränen«, schniefte ich und umarmte sie.
    Sie

Weitere Kostenlose Bücher