Wuensch dir was
verließen.
»Ich will nicht zu ausgeflippt aussehen«, wehrte ich ab und kramte in der Tasche nach meinem Schirm, ohne den ich an sonnigen Tagen keinen Schritt vor die Tür mache.
»Gram, ich bitte dich«, lachte Lucy, als sie den Schirm erblickte. »Den brauchst du doch heute nicht.
Hinter diesem hässlichen Ungetüm sieht man dein Ellie-Jerome-Kleid ja gar nicht.«
»Auch wieder wahr. Also gut, Mademoiselle Neunmalklug …« Ich reichte ihr den Schirm. »Dann gehe ich eben heute ohne, aber du solltest ihn benutzen! Es wird Zeit, dass du an deine Haut denkst. Glaub mir, Lucy, du wirst mir noch dankbar sein, wenn du erst alt bist. Wo wir gerade davon reden: Da ich nur einen Tag neunundzwanzig bin, werde ich heute etwas tun, was ich seit Jahren nicht getan habe – ich werde mich eine Weile in die pralle Sonne setzen. Setz das auf meine Liste, Lucy.«
Lucy zog die Liste, die wir geschrieben hatten, aus ihrer Handtasche.
»Wann möchtest du dein Sonnenbad nehmen, vor der Bikinizonenenthaarung oder nachdem du Stringtangas anprobieren warst?«
»Letzteres. Mein Po hat seit fünfzig Jahren keine Sonne mehr gesehen, das sollte ich vielleicht ändern.« Ich knuffte sie und lachte, aber sie blieb ernst.
»Willst du etwa verhaftet werden? Das wäre dann wohl auch eine ganz neue Erfahrung für dich.«
Ich verzog das Gesicht. »Spielverderberin.« Dann hakte ich mich lächelnd bei ihr unter.
Als ich das nächste Mal den Blick hob, sah ich Hershel Neal auf uns zukommen.
»Oh Mist, da kommt Hershel«, flüsterte ich.
»Tag, Lucy«, sagte Hershel und streckte Lucy die Hand hin.
»Tag, Mr. Neal. Wie geht’s?« Lucy streckte ihm ihrerseits die Hand hin, und er ergriff sie sanft.
»Sehr gut. Wie war die Geburtstagsparty deiner Großmutter?«
»Es war ein richtig schöner Abend.« Sie wandte sich zu mir. »Hershel, das ist meine Cousine Ellie … äh, Michele, äh, Ellie Michele aus Chicago.«
»Das sieht man auf den ersten Blick.« Lächelnd nahm er meine Hand und hielt sie fest. »Ihr zwei könntet Zwillinge sein. Schön, dich kennenzulernen, Ellie Michele. Interessanter Name. Ich nehme an, du bist nach deiner Großmutter benannt?«
»Ja.« Ich lächelte, sagte aber nichts weiter. Ich konnte Hershel schon vorher, mit fünfundsiebzig, nicht ausstehen, und jetzt, da ich neunundzwanzig war, wollte ich erst recht nichts mit ihm zu tun haben.
»Hübsches Kleid übrigens, Ellie Michele.«
Ich sah an mir herunter und strich es glatt.
»Vielen Dank.« Ich lächelte schmal.
»Tja, Lucy, bestell deiner Großmutter doch bitte ganz herzliche Grüße von mir«, sagte Hershel.
»Wird gemacht.«
Wir gingen weiter, und Lucy flüsterte mir ins Ohr: »Ganz herzliche Grüße von Hershel Neal.«
Ich schnaubte. »Danke.«
»Was hast du bloß gegen ihn?«, wollte sie wissen. »Er sieht doch gar nicht übel aus.«
»Ich bitte dich.« Ich wandte mich um und sah ihm nach. »Ich habe ihn noch nie ohne Sakko aus dem
Haus gehen sehen. Sogar heute trägt er eines, dabei ist es sicher fünfundzwanzig Grad.«
»Pfff, das sagst ausgerechnet du, Madame Etepetete?«
»Ich meine ja nur, er könnte sich ruhig mal ein bisschen weniger geschniegelt anziehen. Der Kerl ist so ein Wichtigtuer.«
»Du magst ihn«, flachste Lucy.
»Oh, bitte.« Ich machte eine abwehrende Geste.
»Er gefällt dir, gib es zu«, piesackte sie mich.
»Es gefällt mir, dass er mir schöne Augen macht, aber wie gesagt, ich kann darauf verzichten, wieder einen alten Mann zu Hause zu haben, der mich herumkommandiert.«
»Wie kommst du darauf, dass er das tun würde?«
»Weil das alle Männer meiner Generation tun. Und außerdem wäre er mit einer anderen viel besser bedient, wie du weißt.«
»Mit wem denn?«
»Na, mit Frida. Die ist genauso verkrampft wie er. Die beiden sollten dringend ein paar Lockerungsübungen miteinander machen, wenn du weißt, was ich meine.« Ich kicherte. »Ach, es würde Frida so guttun, wenn sie einen Verehrer hätte. Aber Hershel Neal und ich? Darauf kannst du lange warten.«
»Du bist ganz schön engstirnig.«
»Weil ich Recht habe. Fall erledigt.«
»Okay, wie du meinst«, brummte Lucy.
»Ach ja, wir müssen uns auf meinen Namen einigen.
Soll ich mich Ellie nennen oder Michele? Das mit dem Doppelnamen vorhin klang irgendwie unglaubwürdig.«
»Tja, ich schätze, falls uns Frida noch einmal über den Weg läuft, heißt du Michele, und wenn du mit Kreditkarte bezahlen oder einen Ausweis zeigen musst, dann nennst du dich
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