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Wuensch dir was

Wuensch dir was

Titel: Wuensch dir was Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adena Halpern Ursula C Sturm
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einzige Mensch, den Barbara niemals schikanierte. Und obwohl Barbara es nie zugegeben hätte, wusste sie, dass Lucy der einzige Mensch war, der sie verstand.
    Von ihrer Mutter dagegen hatte sich Barbara ihr Lebtag lang missverstanden gefühlt.
    Zwar zog sie gelegentlich in Erwägung, nie wieder ein Wort mit Ellie zu reden, doch dann bemühte sie sich trotzdem täglich aufs Neue um ihre Gunst. Sie konnte nicht anders. Sie war nicht in der Lage, sich von ihr zu distanzieren. Barbara liebte nämlich ihre Mutter heiß und innig und wünschte sich nichts sehnlicher, als so zu sein wie sie. Ihr erklärtes Ziel war es, sich die Anerkennung ihrer Mutter zu verdienen. Ganz egal, wie viel Lob oder Komplimente sie von Ellie einheimste, Barbaras Hunger nach Anerkennung blieb ungestillt. Insgeheim wusste sie das auch. Leider gelang es ihr all ihren Anstrengungen zum Trotz nicht, das Bild, das die Welt von ihr hatte, zu ändern, und das war der Grund für Barbaras zorniges, aufbrausendes, frustriertes Wesen. Es war ein Teufelskreis, denn genau dieser Teil ihrer Persönlichkeit war auch dafür verantwortlich, dass ihre Mitmenschen eine derart festgefahrene Meinung von ihr hatten. Barbara brachte
ihr Leben damit zu, die Wahrnehmung der anderen in Bezug auf ihre Person zu ändern, doch es war Ellie, die letztlich das Urteil sprach, und Ellies Worten schenkte jeder Glauben.
    So verhielt es sich jedenfalls aus Barbaras Perspektive.
    Schon immer hatte sie versucht, Ellie zu imitieren. Als die Pubertät über sie hereinbrach und es sich angesichts ihrer ausladenden Oberweite und ihrer Hüften abzeichnete, dass sie äußerlich nach ihrem Vater kam, aß Barbara nur noch Karotten und Sellerie, weil sie unbedingt so schlank sein wollte wie Ellie. Zugegeben, nach einer Weile hatte sie in ihrem Frust darüber, dass die verhasste Waage partout nicht weniger Gewicht anzeigen wollte, angefangen zu mogeln, und zwar nicht selten. Auch das trug zu Barbaras gereiztem Wesen bei. Wie Ellie hatte sie den erstbesten Mann geheiratet, der Interesse an ihr gezeigt hatte; Larry Sustamorn, den Zahnarzt. Wie Ellie war sie nie arbeiten gegangen und hatte sich auf die Familie konzentriert – und alles nur, um Ellie ein wenig ähnlicher zu sein, obwohl Barbara das niemals zugegeben hätte. Doch nichts von alledem hatte Barbara das Gefühl gegeben, dass ihre Mutter stolz auf sie war, von Lucys Geburt einmal abgesehen.
    Lucy vermochte einen Glanz in die müdesten Augen zu zaubern. Sie war Ellies einziges Enkelkind, und – so schwer das für Barbara auch zu verkraften war – sie hätte Ellies Doppelgängerin sein können. Ihrer eigenen Mutter dagegen ähnelte Lucy weder optisch noch vom Benehmen her. Barbara störte sich nicht daran,
dass sich Lucy und Ellie so nahestanden, es deprimierte sie bloß, dass sie nicht ein bisschen mehr wie die beiden sein konnte, was wiederum ihren Zynismus und ihren Missmut steigerte.
    Im hintersten Winkel ihres Unterbewusstseins hegte Barbara die Hoffnung, dass ihre Mutter sie eines Tages doch noch verstehen würde. Oder dass sie selbst sich das alles irgendwann zumindest nicht mehr so zu Herzen nehmen würde.
    Niemand ahnte, was in Barbara vorging. Insgeheim wusste sie, wie idiotisch es war, mit fünfundfünfzig immer noch nach mütterlicher Bestätigung zu streben, aber sie konnte nicht damit aufhören.
    »Es ist nur noch eine Straße weiter«, rief sie Frida zu, die schon einen ganzen Häuserblock zurückgefallen war und keuchte wie eine alte Dampflok.
    Barbara blieb stehen, und als Frida zu ihr aufgeschlossen hatte, setzte sie ihre Schimpfkanonade fort, die sie vorhin angefangen hatte, als Frida eine kurze Pause gebraucht hatte: »Eines garantiere ich dir, Kens Tage als Portier in eurem Haus sind gezählt. Nicht zu fassen, dass er nicht noch einen Ersatzschlüssel hatte.«
    »Tja, die hatten alle wir«, wandte Frida ein.
    »Ach, bitte, und was ist mit dem Generalschlüssel?«
    »Na, er hat doch gesagt, dafür müsste er den Schlüsseldienst rufen.«
    »Hätte ich etwa den ganzen Tag herumsitzen und warten sollen?« Barbara ruderte aufgebracht mit den Armen. »Und wenn ja, wo denn auch?«

    Frida zuckte die Achseln.
    »Nein, du und ich, wir haben ein viel größeres Problem als die Tatsache, dass wir uns ausgesperrt haben und jetzt ohne Wohnungs- und Autoschlüssel, ohne Telefon und ohne Geld dastehen: Meine Mutter ist verschwunden.«
    »Vielleicht wäre sie ja bald zurückgekommen?«, bemerkte Frida in der Hoffnung, Barbara zum

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