Wuensche Dir alles
verdrängen konnte. »Wozu strenge ich mich an, für wen mache ich das hier alles, und was bringt es überhaupt?«, fragte ich mich erschöpft. In den Räumen, in denen wir unser Stück aufgeführt hatten, war sehr viel aufzuräumen, und alles ging unglaublich langsam voran. Viele der Mitwirkenden standen nur herum und schwelgten in Erinnerungen an die Vorstellung. Aus meiner Erschöpfung wurde Wut. »Warum packt ihr nicht mit an?«, schrie ich, nahm eine Latte aus den Bühnenrequisiten und drohte damit einem jungen Mann, der mir besonders langsam vorkam. Es war der Künstler, der unsere Kulissen gemalt hatte, ein bedächtiger, stiller Mensch. Gott sei Dank reagierte er derart gelassen auf meine Wut, dass er mir damit den Wind aus den Segeln nahm. So kam ich wieder zur Besinnung und legte die Latte still beiseite.
Das Maß an Verantwortung, das wir tragen, können wir nicht nach Belieben festlegen, denn wir stehen mit unseren Wünschen und Sorgen nicht allein in der Welt. Jeder wünscht sich etwas, und nicht alle können zufriedengestellt werden, wenn nicht auch viele Menschen bereit sind, zu teilen und zu geben. Wer die stärkere Schulter hat, wird wohl auch mehr tragen müssen. Und wer den größeren Wunsch hat, muss auch bereit sein, die entsprechend größere Verantwortung zu übernehmen und sich mehr einzubringen als andere. Dann werden wir unser Ziel gelassen und friedlich erreichen.
»Auf der Welt gibt es genug, um die Bedürfnisse der gesamten Menschheit zu erfüllen, aber nicht genug, um die Gier eines Einzigen zu stillen.«
[ Mahatma Gandhi | 1869–1948 ]
Geiz und Gier führen zu Konflikten und Krieg. Geben ist daher nicht als großzügige Wohltat zu verstehen, sondern als Pflicht, wenn wir uns Frieden wünschen. Und nicht die eigene Großzügigkeit sollte uns ein gutes Gefühl geben, vielmehr liegt das Glück im Geben selbst. DAS GEBEN IST ALSO SOWOHL PFLICHT ALS AUCH GLÜCK. Nichts ist eine wichtigere Lektion für den modernen, selbstzentrierten Menschen als diese Tatsache – nicht nur für sein eigenes Wohl, sondern auch für das Wohl der Erde.
Das Glück des Gebens
In Indien gibt es eine schöne und weitverbreitete Sitte: Wenn die Frauen morgens das Essen gekocht haben, legen sie zuerst ein wenig davon nach draußen, damit es sich die Krähen holen. Das geht auf eine wunderbare Sitte unter den Krähen zurück. Wenn diese Nahrung sichten, rufen sie zuerst ihre Artgenossen zusammen, bevor sie zu ihrem Fund hinunterfliegen.
In manchen Situationen leiden wir darunter, dass wir selbst unser Bestes geben und die anderen kein bisschen Vernunft zu zeigen scheinen. Ich stand oft im Leben da und beklagte mich wehleidig: »Ich habe dem oder der so viel von mir gegeben. Und ich kriege gar nichts zurück!« Dann war ich wütend oder frustriert oder beides. Zum Glück habe ich inzwischen gelernt, mir in solchen Situationen jedes Mal sofort zu sagen: »Nein, du kriegst sehr viel! Nur halt von anderer Seite.« Das hat die Natur ganz richtig eingerichtet: Wenn wir immer von der gleichen Person, der wir etwas gegeben haben, auch etwas zurückbekämen, würden wir zu berechnenden Menschen. Wir würden nur dann geben wollen, wenn wir Gewissheit hätten, dass wir etwas zurückbekommen, und nur dem geben, von dem wir etwas erwarten. Im gesamten Leben würde es so zugehen wie an einem Ladentisch.
Geben und Nehmen in Balance
Im Laufe meines Berufslebens als Yogalehrer haben ganz unterschiedliche Menschen bei mir Rat oder Anleitung gesucht. An manchen Tagen ist das anstrengend, und ich habe das Gefühl, viel Energie zu verausgaben. Manche Menschen scheinen mich dann regelrecht auszulaugen. Dann gibt es aber auch Tage, an denen ich das Gefühl habe, dass die Menschen nicht deshalb zu mir kommen, um ihre Sorgen loszuwerden, sondern um mir Energie zu schenken. Manche neigen wohl eher dazu, Energie abzuziehen, andere flößen sie einem geradezu ein. Jene, die viel Energie zu kosten scheinen, geben wahrscheinlich anderswo oder an einem anderen Tag viel von sich.
Ein gelingendes Miteinander
Wenn Begegnungen eine gesunde Dynamik haben, halten sich Geben und Nehmen in etwa die Waage. Das ist dann echte SYNERGIE – wie in einem gesunden Biotop. Wenn sich beispielsweise in einem Betrieb alle Mitarbeiter dieses natürlichen Prinzips bewusst sind, dann wirken sie wie die Glieder einer Kette, und die Firma floriert. Das gelingt aber nur, wenn die Betroffenen gern die Verantwortung für sich selbst und ihre Aufgabe übernehmen.
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