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Wünsche

Wünsche

Titel: Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kuckart
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nächsten Winter nicht überleben würde. Am Reck des Trimmpfads wartete die nächste Mitteilung. In Berlin habe ich in einer Zelle gewohnt, acht Quadratmeter schlank. Die Klimmzüge ließ Hannes heute ausfallen. An der nächsten Kreuzung, wo es nach Norden zum Schwimmbad, nach Süden zur Gaststätte Waldlust, nach Westen zur Autobahnbrücke und nach Osten zurück auf den Trimmpfad ging, klebte über dem Schild, das vor der Waldbrandgefahr warnte, die achte anonyme Mitteilung für ihn. Laut sagte er: Stimmt! Er sagte es wütend und verlegen. Er fühlte sich gemeint. Hannes zog seine grüne Jacke aus, knotete sie um die Hüfte und schob auch diese Nachricht zu den anderen. Wenn ich dich liebe, was geht’s dich an? , hatte auf dem Blatt gestanden. Stimmt!, wiederholte er. Der Wald schwieg zurück. Den Rest des Weges rannte er in einem Endspurt, bei dem Karatsch nicht mitgekommen wäre. Als er bei der rosa Villa ankam, klemmte ein letzter Zettel unter seiner Fahrradklingel.
    Komm her, Mann mit grüner Jacke, ich warte auf dich.
    Hannes schaute an sich herunter. Die Jacke um seine Hüften war tatsächlich von einem aufdringlichen Grün, aber das war jetzt nicht der richtige Moment, um festzustellen, dass er einen komplizierten Geschmack hatte. Er las die Adresse, die unter der Aufforderung stand, und merkte, er stand bereits vor dem richtigen Haus. Es war die rosa Villa.
    Langsam ging er auf Hortensien und Haustür zu.

 
    Karatsch
    1.
    Sonntag, der letzte Tag im August. Mit der Dämmerung war es kühl geworden. Karatsch hatte den fusseligen Bademantel angezogen und gegen zehn noch überlegt, den Kamin anzufeuern, nur um sich einzureden, dies sei der verspätete Beginn eines gemütlichen Abends. Doch das Tappen seiner nackten Füße auf dem Wohnzimmerparkett war ihm plötzlich unheimlich vorgekommen. Vera war seit bald neun Monaten verschwunden. Der Sohn fuhr noch zur See und würde erst in zwei Wochen zurückkehren. Meret und Friedrich waren wieder am Ort, aber kein wirklicher Trost für ihn, den verlassenen Karatsch. Nah waren die beiden Wünsches nur Vera gewesen. Doch eine neue Freundschaft auf seine alten Tage hatte Karatsch mit Hannes geschlossen, der an dem Tag, an dem Vera verschwand, in die Stadt gekommen war. Wegen Hannes hatte er an einem Morgen im Mai zum ersten Mal seit Veras Verschwinden wieder echte, tiefe innere Heiterkeit verspürt. Da hab ich doch noch Sonne im Arsch, wenn ich dich so sehe, hatte er gesagt und dabei sein Schweizermesser aus der Tasche gezogen. Eigentlich waren Hannes und er verabredet gewesen, doch Hannes war nicht gekommen. Karatsch war mit seinem Volvo in den Narzissenweg gefahren, hatte an dem unbeschrifteten Schild unter dem Schild GUTMANN geklingelt und durch das gekippte Küchenfenster die Lüftung im Bad rauschen hören. Besorgt hatte er das Fenster ausgehängt und war in die Wohnung gesprungen. Im Bad war Hannes nicht. Hier, hatte jemand zaghaft vom Bett aus gerufen, hier bin ich. Das musste eine echte Fesselungskünstlerin gemacht haben! Perfectly four postered, hatte Karatsch gleich gesehen und Strümpfe, BH und Höschen einfach zerschnitten. Wer war denn das? Kenn ich sie? Doch hoffentlich nicht irgend so eine perverse Bankbiene, die eigentlich nur geheiratet werden will. Hannes hatte nicht geantwortet und etwas bleich den Morgenmantel übergezogen, den Karatsch ihm vom Bad aus zugeworfen hatte. Da, für deinen geschundenen Astralkörper, hatte er gesagt, und nimmst du mich mit, wenn du ihr das Höschen zurückbringst? Wir haben ja schon so einiges miteinander durchgemacht, mein Freund.
    Karatsch starrte einen Moment auf seine nackten Füße auf dem Stäbchenparkett, dann auf die kalte, dunkle Feuerstelle seines Kamins mit den Delfter Kacheln. Nein, er würde ihn nicht anheizen. Lieber zog er sich wieder an.
    Als er das Haus verließ, stach die Mondsichel am Himmel zwischen milchig dunkelgrauen Wolkensegeln hervor. Er dachte an Jo. Der Himmel über dem Meer, sah der genauso aus? Und wo Vera war, wie war der Himmel da? Eine kaum merkliche erste Herbstfeuchtigkeit zitterte in der Luft. Ab morgen war mal wieder September. Die Stelltafel der Gärtnerei gegenüber bot HEUTE Eierpflaumen an, und von unten aus dem Ort, wo es zwei Grad wärmer sein würde als hier auf halbem Hang, stolperte Kirmesmusik bis zu Karatsch herauf. Mit dem fröhlichen Schwachsinn von Kinderliedern und Popsongs drängelte sie sich in die stille Gegend der Bungalows. Wie in jedem Jahr überwucherte das

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