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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ihren Oberkörper hatte.
    »Komm schon, Süßer, komm mit, und du wirst dich besser fühlen. Komm mit Sophie.«
    Richard hätte gern die Klimaanlage höher gestellt, doch dazu hätte er sich vorbeugen und ihrem Gesicht noch näher kommen müssen. Er drückte sich also stattdessen in seinen Sitz und presste seinen Kopf gegen die Kopfstütze. Da sah er zu seiner Erleichterung eine statuenhafte Gestalt, die mit großen Schritten aus dem Gebäude auf das Auto zukam.
    »Verschwinde!«, rief Abayomi, ehe sie in einer Sprache leidenschaftlich zu schimpfen begann, die Richard bisher noch nicht gehört
hatte. Die Wirkung zeigte sich sofort: Sophie zog sich blitzschnell vom Fenster zurück - wie eine Schlange, die in einem Erdloch verschwindet. Hastig machte sie einige Schritte rückwärts, die Augen zu kleinen vorwurfsvollen Schlitzen verengt.
    Abayomi stieg ein. Ihre langen Beine ragten unter das Armaturenbrett, und das Auto erfüllte sich mit ihrem typischen Duft. Richard durchlief eine Welle herrlicher Erregung.
    »Hallo«, begrüßte er sie und wandte sich ihr zu. »Ich glaube, wir sollten besser verschwinden, ehe ich noch mehr in Schwierigkeiten gerate.«
    Er warf einen Blick in den Rückspiegel und beobachtete Sophies Gestalt, bis sie aus seinem Gesichtsfeld verschwand. Als er den ersten Gang einlegte, trat die junge Prostituierte gerade auf den gegenüberliegenden Gehsteig, noch immer rückwärts gehend. Da sie sich nun in sicherer Entfernung wähnte, hob sie ihr Top und entblößte ihren glatten Bauch und die festen, dunklen Brüste. Richard holte hörbar Luft und ließ beinahe den Motor absterben, als er versuchte, möglichst schnell loszufahren.
    »Versuch dich zu konzentrieren«, meinte Abayomi trocken. »Du wirst uns in deinem schicken Auto noch in einen Unfall verwickeln.«
    »Ich bin froh, dass du mich vor ihr gerettet hast. Sie war ziemlich … furchterregend«, erwiderte er lachend.
    Doch seine Beifahrerin schien ungewöhnlich angespannt zu sein. »Sie heißt Otunla. Und sie ist siebzehn.«
    Erstaunt warf Richard noch einen Blick auf den Bürgersteig. Die junge Frau, fast im gleichen Alter wie seine Tochter, war verschwunden. »Und wo ist ihre Familie?«, wollte er wissen.
    »Ihre Familie? Ihre Familie ist in Lagos.« Abayomi schien die Frage zu überraschen.
    »Dann ist sie hierhergekommen, um sich Arbeit zu suchen?«
    »So könnte man es auch nennen«, sagte Abayomi. »Ihre Familie
hat sie verkauft, als sie vierzehn war. Sie war das Einzige mit irgendeinem Wert, weshalb sie Otunla an einen wohlhabenden Geschäftsmann verkauft haben. Er hat sie an einen anderen Mann weiterverschachert, als er sich mit ihr zu langweilen begann, und dieser Mann hat sie dann hierhergebracht. Jetzt arbeitet sie für ihn.« Sie dachte einen Moment nach. »Du hast recht - sie hat etwas Furchterregendes. Verzweifelte Menschen wirken oft so. Sie haben nichts mehr zu verlieren.« Sie blickte aus dem Fenster, als sie in die Beach Road einbogen. Offensichtlich war die Unterhaltung damit für sie beendet.
    Das Meer war aufgewühlt, der übrig gebliebene Zorn einer windigen Nacht. Ein chassidisches Paar mit mehreren Kindern spazierte die Strandpromenade entlang. Der schwarze Anzug des Mannes trieb Richard den Schweiß auf die Stirn. Er lehnte sich vor, um die Klimaanlage höher zu stellen.
    Abayomi trug einen leuchtend grüngelben Schal, den sie sich um den Kopf geschlungen hatte. Der Stoff ließ sie jünger aussehen, und sie strahlte eine sportliche Zähigkeit aus. Es fiel Richard nicht leicht, sie nicht ständig anzusehen und stattdessen auf die Straße zu schauen. Er warf einen Blick in den Rückspiegel und bemerkte den Gecko, der noch immer an der Heckinnenscheibe klebte. Die Spielerei kam ihm auf einmal lächerlich vor, und er hoffte, dass es Abayomi nicht auffallen würde.
    Als sie ihn angerufen und dazu eingeladen hatte, »das echte Afrika« in seiner Stadt zu erleben, wie sie es nannte, war er überrascht gewesen, wenngleich er sich auch gefreut hatte. Eine Kusine auf der Yoruba-Seite ihrer Familie habe vor kurzem einen Jungen zur Welt gebracht, hatte sie ihm erklärt. Im Haus ihres Onkels sollte deshalb eine Feier stattfinden. Obwohl der Anruf wie zuvor auch unangekündigt in seine Welt eingedrungen war - als sein Handy klingelte, hatte er Raine gerade zum Tanzunterricht gefahren -, hatte er ohne zu zögern zugesagt.

    Jetzt fragte er sich, während sie schweigend dahinfuhren, ob die Einladung als Dank für seinen juristischen

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