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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Rat gedacht war. Vielleicht diene ich ihr auch nur als Chauffeur, dachte er misstrauisch. Dennoch wurde er den Eindruck nicht los, dass auch sie etwas für ihn empfand.
    Er war froh, als sie eine grüne Welle erwischten und er vorgeben konnte, sich auf das Fahren zu konzentrieren. An der Somerset Road in Green Point bog er ab und fuhr an den italienischen Feinkostläden und den portugiesischen Imbissstuben vorbei. Zwischendurch warf er Abayomi immer wieder einen neugierigen Blick zu, aber sie starrte regungslos aus dem Fenster.
    Sie durchquerten gerade die Stadtmitte, als sie wieder zu sprechen begann. »Du musst eines begreifen, Richard. Ihr Schicksal ist nicht ungewöhnlich«, erklärte sie mit ernster Stimme. »Ich denke, es ist wichtig, dass du dich an diese Geschichte erinnerst.« Sie hielt inne und sah an ihm vorbei zum Kastell hinüber. An den Ecken des Castle of Good Hope waren Scheinwerfer befestigt und beleuchteten die Mauern. Ein Bergie hatte seine Kleidung im Festungsgraben gewaschen und hängte sie gerade an dem reich verzierten Eisengeländer zum Trocknen auf. Fußgänger überquerten vor Richard die Straße und lachten vergnügt, während sie hastig vorüberliefen.
    »Wir kennen selten die Geschichte eines Menschen«, fuhr Abayomi fort. »Wir haben keine Ahnung, warum er genau an dem Ort gelandet ist, wo er sich gerade befindet. In Wirklichkeit haben wir nicht den leisesten Schimmer, wer er ist.«
    »Ich habe aber sehr wohl das Gefühl zu wissen, wer du bist.«
    Es sollte zärtlich klingen und ihre Stimmung aufhellen, aber Abayomi seufzte nur und blickte zum Hafen hinüber. Weißgraue Möwen schwebten über den riesigen Tankern, die an windig wirkenden Tauen vor Anker lagen.
    »Bist du je traumatisiert worden, Richard?«, fragte sie. »Ich
meine nicht einfach nur ein unangenehmes Erlebnis, sondern eine echte Tragödie.«
    Richard fühlte sich zurechtgewiesen, obwohl ihr Tonfall sachlich klang. Er schüttelte den Kopf. Eine Unmenge kleiner Vorfälle kamen ihm in den Sinn, meist nicht mehr als harmlose Ärgernisse. Glimpflich verlaufene Unfälle, ein gebrochener Zeh, der Tod seiner Großmutter, ein Überfall, bei dem ihm sein Handy abgenommen worden war. Einmal war er als Student in eine Kneipenschlägerei verwickelt worden, bei der man ihm die Lippe blutig geschlagen hatte. Aber er war bisher nie einer solchen Bedrohung oder Verletzung ausgesetzt gewesen, von der Abayomi sprach. In seinem Leben und dem seiner Freunde und Verwandten gab es meist zahlreiche Chancen und Wahlmöglichkeiten.
    Das Brachland des District Six huschte an ihnen vorüber. Richard gab Gas. Er warf Abayomi einen Blick zu und wartete darauf, dass sie ihm etwas von ihrer Vergangenheit enthüllen würde. Doch sie schwieg. Obwohl die Stimmung zwischen ihnen ernst war, fühlte er sich beschwingt. Am liebsten hätte er die Hand zu ihr hinübergestreckt, um den Abstand zwischen ihnen zu verringern.
    Eine braune Smogwolke hing über den Vororten, als sie in die Hospital Bend einbogen. Die kühne Selbstverständlichkeit, mit der Abayomi auf dem Beifahrersitz saß, auf dem sich sonst Amanda befand, ließ die Situation für Richard beinahe unwirklich erscheinen. Ihre verbotene Anwesenheit machte ihn nervös. Ist es so, wenn man eine Affäre hat?, dachte er. Und - haben wir überhaupt eine Affäre?
    Die Strecke, die sie jetzt entlangfuhren, gehörte zu seinem täglichen Heimweg. Dennoch kam sie ihm diesmal neu und ungewohnt vor, als ob er sie mit anderen Augen wahrnähme. Die Kurve der Straße hatte etwas Beschwingtes, und die Tiere, die weiter unten auf dem Hügel grasten, machten ihn froh, in Afrika
zu leben. Svritsky, die bevorstehende Verhandlung, Quantal Investments - all das lag in bedeutungsloser Ferne. Konnte es so einfach sein? Konnte es so einfach sein, das Gefühl von Glück wiederzuentdecken, noch einmal ein aufregendes Leben führen zu dürfen? Die Euphorie wiederzufinden, die man für immer verloren geglaubt hatte?
    Sie bogen vom Highway ab in den Vorort Mowbray und fuhren einige hundert Meter auf der Main Road, vorbei an einer Polizeistation mit Ziegelfassade. Die Straße war voller Taxis und Universitätsbusse, die allesamt drängelten, hin und her kurvten und ein zügiges Vorankommen unmöglich machten. Ein Brauereilastwagen zuckelte auf zwei Fahrspuren gleichzeitig dahin, die Plane nur notdürftig über die Flaschen mit Bier gezogen. Richard war erstaunt, dass es an einem normalen Werktag hier so geschäftig zuging. Er hatte

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