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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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damit unser Kind den Unterschied zwischen Gut und Böse erkennen lerne.« Er steckte eine Fingerspitze in das Öl und bestrich damit die Lippen des Jungen. Dessen Zunge spitzte heraus und fing an, das Öl wegzulecken, wobei die kleinen Gesichtsmuskeln zuckten. Der junge Vater legte den Arm um seine Frau. Sie lehnte sich an ihn und betrachtete ihr gemeinsames Kind.
    »Kolanüsse, um zu heilen und um krank zu machen. Möge unser Kind den Unterschied begreifen.« Der Pastor drückte dem Jungen einige zerdrückte Nüsse in die Hand. Instinktiv schlossen sich die Finger und hielten die Kerne einen Moment lang fest, bevor sie herausrutschten und zu Boden prasselten.
    »Honig, damit unser Kind zu seiner Umwelt, seiner Familie
und seinen geliebten Eltern immer so süß wie Honig sein möge.« Dem Kleinen wurde Honig auf die Lippen gestrichen. Diesmal zuckte er zusammen. Seine Augen öffneten sich einen Moment lang, um sich dann wieder zu schließen.
    »Wein, um allen Menschen Glück und Freude zu bringen, achtsam und in Maßen getrunken.« Der Säugling schob seine Zunge heraus und spuckte den Wein aus, der in kleinen Rinnsalen sein Kinn hinablief.
    »Geld. Auf dass du es in deinem Leben stets weise verwendest. Möge es niemals Besitz von dir ergreifen und dich an deiner Liebe für die deinen oder für Gott hindern, sondern nur Gutes für dich tun. Mögest du niemals sein Sklave werden.« Die Münze war größer als die Kolanüsse, und die Finger des Kindes umklammerten die runde Scheibe.
    »Hier sind Stift und Papier. Mögest du lernen und dein Wissen zum Wohle der anderen einsetzen.« Nun hob der Mann ein kleines Büchlein mit hellroten Seiten hoch. Die Münze fiel auf den Boden und rollte zwischen den Füßen der Gäste davon.
    »Und zum Schluss noch die Bibel. Mögest du lernen, dieses Buch der Bücher zu lesen, und begreifen, wie sein Inhalt im Leben zu nutzen ist. Mögest du dieses Buch verwenden, um den deinen zu helfen, und niemals, um ihnen zu schaden. Gottes Wille geschehe.« Der Pastor legte die kleine Bibel neben das Kind und wickelte dieses wieder in seine Decke ein, wodurch auch das Buch bedeckt wurde.
    »Deine Eltern geben dir die Namen Orobola Adamu. Deine Großmutter in deiner Heimat schickt dir den Namen Oluwa. Mögest du diese Namen mit Stolz tragen. Mögest du mit Reichtum und Frömmigkeit gesegnet sein, so wahr dir deine Namen zur Ehre gereichen.«
    Daraufhin übergab der Pastor den Säugling wieder der wartenden Mutter. Sie nahm das Bündel zärtlich in Empfang und
wandte sich zu ihrem Mann, damit auch dieser das Kind sehen konnte. Jetzt wurden unter den Gästen lange schmale Kerzen weitergereicht. Einige der Gäste zückten Feuerzeuge und Streichhölzer, und das Zimmer erstrahlte. Richard hielt seine Kerze vor sich hin. Die Zeremonie hatte ihn unerwartet tief berührt, und er war Abayomi dankbar, dass sie ihn dazu eingeladen hatte.
    »Jetzt werden wir das Zimmer unseres Kindes segnen.« Der Pastor führte die kleine Prozession an, die daraufhin den Flur hinunter in ein winziges Zimmer ging, das die Gäste in kleinen Gruppen nacheinander betraten und wo es nach frischer Farbe roch. Auf der Fensterbank standen Blumen. Mehrere Plastikmobiles tanzten vor dem offenen Fenster, und an der Wand über der Wiege waren einige religiöse Figürchen befestigt. Der Pastor blieb im Zimmer und sprach laut seinen Segen, während die Gäste kamen und gingen.
    Richard folgte den anderen. Er war froh, von der Menge mitgetragen zu werden. Neugierig beobachtete er, wie jeder der Gäste an die Wiege trat und dabei etwas murmelte.
    »Wie lauten die Worte?«, fragte er den Pastor, als er an der Reihe war.
    »Sie müssen Ihren eigenen Segen sprechen«, erwiderte der Mann. »Ein persönlicher Segen von Ihnen.«
    Richard dachte einen Moment lang nach. »Mögest du mit mehr Klugheit und Neugier gesegnet sein als ich«, sagte er dann. Das Pastor klopfte ihm sanft auf den Rücken, und er verließ das Zimmer.
    Erst nachdem der letzte Gast seinen Segen gesprochen hatte, kam auch der Pastor wieder ins Wohnzimmer zurück. Die Menge wartete schweigend auf seine Rückkehr und hielt währenddessen die brennenden Kerzen hoch, deren Flammen durch die Luftbewegung leise zischten und flackerten.

    » Olomo lo laiye …«, begann er melodisch und ohne Hast zu singen. Die junge Mutter lächelte und wiegte das Bündel im Rhythmus des Liedes hin und her. Als der Pastor zu Ende gesungen hatte, trat er erneut zu dem schlafenden Kind und legte ihm

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