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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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nickte bedächtig. »Wann immer Sie Hunger verspüren, sind Sie uns von Herzen willkommen.« Er trat einen Schritt zurück und zeigte auf die Speisen, die in vielen Töpfen, Körben und auf Platten hinter ihm aufgebaut waren - rote Eintöpfe, Brötchen und Berge von Reis mit Tomatenhautstückchen. »Kommen Sie. Wir wollen anfangen«, fügte er hinzu.
    Richards Begleiterin nickte zustimmend und führte ihn wieder ins Wohnzimmer zurück. Er sah sich in der Menge nach Abayomi um, doch die knochigen Finger der Alten ließen sein Handgelenk keinen Moment lang los, sondern zerrten ihn entschlossen in die Mitte des Raumes. Dort war der Couchtisch inzwischen von einem weißen Tuch bedeckt, unter dem sich mehrere Formen abzeichneten. Offenbar hatte man unter dem Stoff etwas verborgen.
    Er entdeckte Abayomi. Sie lehnte an einer Wand und wirkte gedankenverloren. Es blieb Richard nichts anderes übrig, als sich in sein Schicksal zu ergeben und sich in die Nähe des Tisches zu stellen, wie das die Alte wollte, die sich an seine Seite drückte.
    Der Pastor begann zu singen, zuerst leise und dann immer lauter, als die Menge seinen Gesang erwiderte. Das Lied kam Richard bekannt vor. Es handelte sich wohl um ein Kirchenlied, das auch in Igbo übersetzt worden war. Vage erinnerte er sich an die Melodie aus seinen Kindertagen, wenn er die Christmette besucht, in der stillen Hitze ungeduldig die Absätze gegen die Kirchenbank
geschlagen und darauf gewartet hatte, endlich wieder nach Hause zu dürfen, um mit seinen Geschenken zu spielen.
    Die Stimmen der Festgäste hoben und senkten sich gleichzeitig, als hätten sie dieses Lied schon oft gemeinsam gesungen. Obwohl nicht alle den richtigen Ton trafen, klang es doch harmonisch und besänftigend. Als das Lied unvermittelt zu Ende war, nickte der Pastor dem jungen Vater zu. Gemeinsam hoben die beiden Männer das weiße Tuch und enthüllten den Tisch darunter, auf dem sich Keramikschalen und Teller stapelten. Die Menge gab ein bewunderndes Murmeln von sich, während die beiden die Tischdecke.zusammenfalteten.
    Dann stellte sich der Pastor an das obere Tischende und erklärte auf Englisch: »Das sind die zeremoniellen Speisen.« Seine Stimme hallte sanft im Raum wider. Richard befürchtete, dass sich der Pastor verpflichtet sah, ihm die Zeremonie zu erklären, auch wenn er ihn dabei nicht direkt anblickte. »Es gibt Speisen, die für uns eine große Bedeutung haben«, fuhr er fort. »Sie sind wichtig für die Familie, und sie werden für das Kind wichtig sein.«
    Die Leute, die neben der Tür standen, traten beiseite. Alle im Zimmer begannen zu flüstern, als eine junge Frau mit einem kleinen, in eine Decke gehüllten Bündel in den Armen hereinkam. Ihre Gesichtszüge waren so zart wie ein junges Blatt, in ihrer zierlichen Schönheit perfekt geformt. Ihre Haut schimmerte, als ob sich die Sonne darin spiegelte, und sie bewegte sich wie eine feingliedrige Feengestalt. Richard war sich bewusst, dass er sie anstarrte, doch er vermochte seinen Blick nicht abzuwenden. Sie sah auf das kleine Gesicht ihres schlafenden Sohnes - eine Madonna in ihrer Schlichtheit. Sie ging barfuß ein paar Schritte und blieb vor Richard stehen. Er hielt den Atem an, als ob er befürchtete, ihr sonst etwas zu rauben.
    Sie lächelte schüchtern, und er merkte, wie er rot wurde. »Sei uns willkommen«, erklärte sie. Noch ehe er antworten konnte,
drehte sie sich um und trat mit bedächtigem Schritt zu ihrem Mann. Der junge Vater beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Dann legte er seine Hand auf den Kopf des Neugeborenen und schob die Decke zurück, so dass alle das Gesicht des Kindes sehen konnten.
    Richard fragte sich, ob er Amanda jemals so bewundernd angeblickt oder Raine mit einer solch zärtlichen Hingebung berührt hatte. Er merkte, wie ihm die Tränen kamen, und blinzelte. Als er aufblickte, sah er, dass ihn Abayomi mit einem leichten Stirnrunzeln betrachtete. Zum ersten Mal in ihrer Bekanntschaft verspürte er etwas wie ein Schuldgefühl.
    Der Pastor trat zu dem jungen Paar, nahm das Kind in seine Arme und schlug die Decke beiseite, so dass ein Arm und eine Hand des Jungen entblößt wurden. Langsam begann er um den Tisch zu schreiten, wobei er sich nach vorn beugte, während er sprach.
    »Hier ist Wasser, der Beginn allen Lebens.« Er tauchte die kleine, zerknitterte Hand des Kindes in das Wasser. Der Junge rührte sich nicht, und der Mann schritt weiter.
    »Und hier ist Palmöl, gut und schlecht,

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