Würde - Roman
die Wahrheit zu sagen. Richard war derjenige, der betrogen hatte, nicht sie.
Trotzdem kam ihm die Erkenntnis, dass sie kein Liebespaar waren, wie ein Verrat vor, der ihre Phantasiewelt für immer zerschneiden würde. Eine tiefe Traurigkeit erfüllte ihn und Empörung, als ob etwas mutwillig zerstört worden wäre, das er stets behutsam umsorgt und gepflegt hatte. Er scheute vor der Realität zurück und forderte innerlich seinen besonderen Platz zurück, seinen Anspruch als Ehebrecher. Seine Wut richtete sich auf den Überbringer dieser schlechten Nachrichten. Am liebsten hätte er diesem ernsten, aufrecht dasitzenden Mann erklärt, dass er betrogen worden war und dass er, Richard Calloway, der Liebhaber seiner Frau sei.
Aber er wusste, wie lächerlich das gewesen wäre. Er spielte keine Rolle im Leben dieser Menschen. Er war eine Einkommensquelle, über die man nicht sprach. Nichts weiter. Oder vielleicht sprachen sie auch über ihn - allein der Gedanke brachte ihn fast zur Raserei -, vielleicht lachten sie über ihn, über seine Unterwürfigkeit und seine kriecherischen Aufmerksamkeiten.
Nein. Richard war sich sicher, dass sein neuer Mandant nichts
von seiner Verbindung zu seiner Frau wusste. Es war Abayomi gelungen, eine überzeugende Geschichte zu spinnen, die beiden Männer auf Abstand zu halten, damit sie nichts voneinander ahnten. Er musste an ihr merkwürdiges Verhalten im Club denken, an die düsteren Dinge, die sie gesagt hatte. Auch auf der Namenszeremonie hatte sie in seiner Gegenwart immer wieder angespannt gewirkt. Während sie ihn mit herzlicher Geste ihren Verwandten vorstellte, hatte sie gewusst, dass ihr Mann zum gleichen Zeitpunkt im Gefängnis saß und ihm die Kaution verweigert worden war. Er erinnerte sich auch an ihr Schweigen im Auto und wie sie aus dem Fenster gestarrt hatte, als sie gemeinsam in die Stadt zurück zum Studio gefahren waren. Dort jedoch hatte sie gelächelt und ihn am Ärmel gezogen, damit er mit ihr die Treppe hinaufliefe. Selbst diese schöne Erinnerung schien jetzt vergiftet, als er Ifasen anblickte.
»Sowohl meine Frau als auch ich haben nur eine beschränkte Aufenthaltsgenehmigung«, fuhr der dünne Mann ahnungslos fort. »Deshalb sind viele Dinge für uns sehr schwierig. Verstehen Sie?«
»Ja, ich verstehe.« Richard kämpfte gegen die Gefühle an, die in ihm aufwallten, und versuchte sich stattdessen auf die Fakten des vorliegenden Falls zu konzentrieren. »Ehe Sie mir erklären, wie Sie hier hereingekommen sind, würde ich gern einen Blick in das Anklageprotokoll werfen. Aba … Ihre Frau hatte keine Kopie, die sie mir geben konnte.«
Ifasen nickte und holte einen dünnen, gefalteten Stapel Papier aus seiner hinteren Hosentasche. Er glättete die Seiten auf dem Tisch und schob sie Richard zu.
Richard überflog das Protokoll, wobei er nur die relevanten Abschnitte las. Dann runzelte er verwirrt die Stirn.
»Was ist los?« Ifasens Stimme klang tonlos.
»Eigentlich nichts weiter«, erwiderte Richard. »Nichts. Nur
dieser Kläger … Ich habe vor kurzem jemanden kennengelernt, der mich sehr an ihn erinnert.« Er lachte ungläubig auf. »Und zwar bei einem Essen in meinem Haus.«
Ifasen starrte ihn misstrauisch an. »Sie setzen sich mit solchen Menschen an einen Tisch? Mit Menschen, die falsche Anschuldigungen machen, unschuldige Männer misshandeln und sie dann an einen Ort wie diesen bringen lassen?« Er machte mit dem Arm eine ausladende Bewegung, die alles zu umfassen schien: den Raum, das Gefängnis, seine entwürdigende Situation. »Ein solcher Mann ist Ihr Freund, und solche Menschen laden Sie zu sich zum Essen ein?«
»Na ja …« Richard zögerte. »Sie müssen verstehen, dass diese Leute nicht meine Freunde sind. Das sind …«
»Bitte«, unterbrach ihn Ifasen. »Ich denke, Sie sollten gehen. Sie können mir nicht helfen.«
Richard hatte ohnehin nicht das Bedürfnis verspürt, Ifasens Fall zu übernehmen. Er hatte sich nur bereit erklärt, um Abayomi einen Gefallen zu tun. Zugegebenermaßen hatte er insgeheim gehofft, dass sie ihm dann vielleicht mit mehr Großzügigkeit begegnen würde, wenn sie sich im Studio trafen. Die Tatsache, dass es sich bei dem Häftling um ihren Ehemann handelte, brachte ihn nun völlig durcheinander, und er befürchtete, dessen missliche Lage nicht vorurteilsfrei einschätzen zu können. Gleichzeitig musste er an Ryno Coetzee an seinem Esstisch denken, wie dieser seinen Wein getrunken, mit seiner Frau geflirtet und
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