Würde - Roman
gezwungen war, einen Schritt zurückzuweichen. Ein Mann mit einem schmalen Schnurrbart und einer Sonnenbrille auf der Nase trat grinsend ins Zimmer.
»Hallo, Nigel! Wie geht’s? Alles senkrecht?« Der drahtig muskulöse Mann bohrte einen Finger in Ifasens Brust und kam ihm dabei zu nah. Ein Polizeirevolver war in seinen Gürtel geschoben. »Schlägst du schon wieder deine Frau? Hä? Hä? Komm schon, Nigel, mein Junge, sag es mir. Was ist los?«
Das Gesicht des Mannes befand sich nur wenige Zentimeter von Ifasen entfernt, und der Zigarettengestank, der ihm entgegenschlug, war fast unerträglich.
»Und deine Frau? Wo ist sie? Hä? Noch Lust gehabt auf ein nächtliches opskop ? Ein kleines Geplänkel im Wohnzimmer? Auf nigerianische Art? Bei euch ist das wie eine Religion, nè ? Das ist eure Religion: Frauen verprügeln. Einige von uns beten, andere gehen in die Kirche, aber ihr Nigels, ihr lasst einfach
eure Faust sprechen, was? Knallt der Frau einen Stiefel rein und nennt das dann spirituelle Erleuchtung. Das ist doch so bei euch - was, Nigel, mein Junge?«
Der Polizist folgte Ifasen, der weiter zurückwich, und bohrte ihm dabei immer wieder den Finger in sein Brustbein, während er ihn über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg anstarrte. Er hatte sich angewöhnt, sich wie einer der Cops aus der alten »Miami Vice«-Serie zu kleiden. Wenn er nicht so bedrohlich gewirkt hätte, wäre seine Aufmachung komisch gewesen. »He, Nigel. Ein kleiner skommel met die vroumens - was?«
Ifasen wich noch einen Schritt zurück. Er hatte bereits mehrmals mit Inspector Jeneker von der zentralen Polizeiwache in Kapstadt zu tun gehabt. Vor allem schien sich Jeneker für die Immigranten der Stadt zu interessieren und dabei aus unerfindlichen Gründen eine besondere Abscheu gegen die Nigerianer entwickelt zu haben.
»Ich heiße nicht Nigel, Inspector«, erklärte Ifasen so ruhig wie möglich. »Mein Name ist Ifasen. Und niemand von uns hat die Polizei gerufen. Wir brauchen keine Polizei. Hier gibt es kein Problem. Also - vielen Dank, aber Sie hätten sich nicht die Mühe machen …«
»Nein, nein, Nigel«, unterbrach ihn Jeneker. Seine Mundwinkel schimmerten feucht. »Du musst mir nichts vormachen. Wir kennen uns doch. Ich bin schon früher mal hier gewesen - nicht wahr, mein Freund? Und was das Rufen der Polizei betrifft … Nun ja, deine Frau ist wohl kaum in der Verfassung, irgendetwas zu unternehmen, selbst wenn sie wollte, was? Du kannst meinen Besuch also als vorsorglich bezeichnen. Genau das ist er - vorsorglich.« Er horchte dem Begriff nach, als gefiele er ihm besonders gut. »Hier bin ich also, direkt vor eurer Tür, um herauszufinden, ob du dich in letzter Zeit mal wieder spirituell gefühlt hast. Und was höre ich da, als ich gerade anklopfen will? Was höre ich da?«
Ifasen schüttelte den Kopf.
»Da höre ich, wie du deine Frau mal wieder beschimpfst. Eine Hure nennst du sie. Also, ehrlich - ist das nett? Finde ich nicht, Nigel. Finde ich ganz und gar nicht. Gut, vielleicht steckt ja ein Körnchen Wahrheit drin.« Jeneker grinste höhnisch. »Aber der Rest … Ich meine, der Rest ist wirklich nicht nett, Nigel.«
»Es reicht!«, rief Abayomi aus der Küche. Sie streckte den Kopf heraus. »Es reicht, Jeneker. Sie können nicht einfach in unser Heim eindringen und solche Dinge behaupten. Es geht mir gut. Ich habe Sie nicht gerufen. Ich habe auch niemanden gebeten, die Polizei kommen zu lassen. Mein Mann und ich haben uns nur gestritten. Er hat nichts Gemeines gesagt. Mein Mann ist respektvoll und liebenswürdig. Er würde mir nie wehtun. Er ist ein ehrenwerter Mann, und es ist nicht richtig von Ihnen, so mit ihm zu sprechen.«
Jenekers Schultern spannten sich sichtbar an. Mit geballten Fäusten beugte er sich vor. Einen Moment lang sagte er nichts, sondern musterte sie nur von Kopf bis Fuß. Dann grinste er, kam einen Schritt näher und legte seine feuchte Hand auf die entblößte Haut ihres Ellenbogens. Abayomi wandte den Kopf ab.
»Dein Boss lässt dich schön grüßen«, flüsterte er heiser und rückte ihr so sehr auf den Leib, dass seine stoppelige Wange fast die ihre berührte. »Er hofft, dass du ein braves Mädchen bist.« Noch immer grinsend wich er wieder einige Zentimeter zurück und schob dabei seinen Kaugummi im Mund herum.
Abayomi starrte ihn feindselig an. »Deshalb sind Sie also hier? Mandla hat Sie geschickt? Fehlt ihm etwa der Mut, selbst zu kommen? Er schickt lieber Sie, den Boten des Boten.«
Weitere Kostenlose Bücher