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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Hammel-Curry, und man bekommt Coo-ee-Ingwerlimonade in Glasflaschen mit diesem Metalldeckel, den man nur mit einem Flaschenöffner aufkriegt.«
    »Und isst man dieses Essen mit den Fingern?«, wollte Abayomi wissen und sah ihn aus schmalen Augen an.
    »Na, und ob! Aber die Gewürze färben einem die Finger ganz gelb.«
    »Also gut, weißer Mann. Ich bin an deinem gelben Essen und deiner Sklavin interessiert. Das probieren wir aus.« Sie bohrte ihm einen Finger in den Arm. »Aber du hast mir noch nicht bewiesen, dass ich mich irre. Nur weil du eine Frau kennst, die von Sklaven abstammt. Das bedeutet lediglich, dass sie schon etwas länger auf Urlaub hier ist als ich.«
    Richard lachte und schüttelte den Kopf. Er gab sich geschlagen. »Okay, du könntest durchaus in gewisser Weise recht haben. Nach dem Essen bei Zorina’s werde ich dich zu Pickwicks bringen. Da gibt es den besten Kaffee der Stadt. In der Nähe der Hostels in der Long Street. Dort setzen wir uns dann auf Barhocker
neben Goths, Drogensüchtige, Typen mit riesigen Tattoos und afrikanische Händler. Wir trinken schwarzen Kaffee, lauschen den Clubbeats und beobachten, wie die Welt draußen an uns vorbeizieht.«
    » Pickwicks? « Sie legte den Kopf zur Seite. »Ich glaube, da bin ich schon mal vorbeigelaufen. Ja, da kannst du mich auch hinbringen. Aber wem gehört der Laden?«
    »Soweit ich weiß, einem Juden«, musste er enttäuscht zugeben.
    »Also ein Jude, eine malaiische Sklavin, ein Europäer und eine Nigerianerin.« Sie klatschte in die Hände. Die Geste hatte etwas Kindliches. »Das ist das Beste, was du zu bieten hast? Wie armselig wir doch alle sind! Keiner von uns kommt von hier. Wir sind alle Immigranten.«
    Wieder lachte Richard laut auf. Doch Abayomi wirkte ernst, als sie weitersprach. »Warum behandelt man mich dann wie Dreck? Nur weil ich später als die anderen auf die Party gekommen bin und ihr schon den Kuchen unter euch dreien aufgeteilt habt?«
    Er schwieg eine Weile und dachte nach. Wie wenig er von Nigeria wusste! Und dennoch stellte er sogleich Vermutungen über dieses Land an, die ihm aufregend erschienen. Der Kellner schenkte ihm dampfenden Kaffee nach. Richard riss ein Päckchen Zucker auf, schüttete den Inhalt in die braune Flüssigkeit und rührte bedächtig um, während er über Abayomis Frage nachdachte. Der Kaffee schmeckte bitter und stark. Er nippte mehrmals daran und nahm den Geschmack in sich auf, ehe er die Tasse vorsichtig auf den feuchten Unterteller stellte.
    »Ich kann deine Frage nicht beantworten«, meinte er. »Ich verstehe auch nicht, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Die menschliche Natur überrascht mich immer wieder von Neuem … Und oft stößt sie mich ab.«

    Die Worte bildeten sich wie von selbst auf seiner Zunge. Als er ihnen lauschte, wie sie zu Abayomi hinübergetragen wurden, und begriff, wie ernst sie ihm waren, runzelte er die Stirn. Das war keine betrunkene Diskussion in einem Stripclub und auch kein hohles Gerede bei einer Essenseinladung. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal derart ungezwungen und ehrlich unterhalten hatte. Er blickte zu Abayomi. Ihre Augen waren auf ihn gerichtet, und sie lauschte ihm aufmerksam. Ihr Lächeln war verschwunden. »Ich glaube, wir leben alle in ständiger Angst«, fuhr er fort. »Und von uns vieren habe ich wohl den geringsten Grund dazu.«
    Einen Moment lang schwiegen beide. Dann lehnte sich Abayomi vor und legte ihre Hand auf die seine. »Ich sollte jetzt gehen. Aber du besuchst mich bald wieder - ja?«
    »Nein, bitte«, sagte er leidenschaftlicher als beabsichtigt. »Bleib doch noch etwas. Ich weiß nichts über dich. Erzähl mir von dir. Erzähl mir irgendwas. Eine Erinnerung. Eine Geschichte aus deiner Heimat.«
    »Du willst eine Geschichte?«
    »Ja.«
    »Also gut.« Sie lehnte sich zurück und sagte einen Augenblick lang nichts, wohl um ihn abzuschätzen. »Diese Geschichte zeigt dir vielleicht ein wenig, woher ich komme«, meinte sie schließlich. »Sie trug sich zu, als ich fünfzehn Jahre alt war. Mein Vater hat mich einem Mann vorgestellt, der zu uns zu Besuch gekommen war. Gemeinsam mit meinem Vater saßen er und eine Gruppe Freunde draußen vor dem Haus. Sie redeten ernst miteinander. Jeder hörte sich an, was der andere zu sagen hatte, alle ließen sich gegenseitig aussprechen. Damals habe ich mir gedacht: Genauso sollten wir alle miteinander sprechen.«
    Sie machte eine kurze Pause, ehe sie fortfuhr: »Die Männer

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