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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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weiterhin auf Abstand zu ihm blieb. Nach zwei Tagen der Qualen war er jedoch mit einem festen Entschluss aufgewacht: Er wollte die nigerianische Verführerin einfach als eine vorübergehende Klientin betrachten. Sein intimer Kontakt mit ihr würde schon bald nur noch eine schwache Erinnerung sein, und mit der Zeit würde er alles vergessen. Er wollte sich wieder seinem Beruf und seiner Familie zuwenden. In Gedanken wiederholte er diese beiden Worte immer wieder und versuchte so, das Flattern in seiner Magengrube zu unterdrücken, das sich zwischendurch zurückmeldete.
    Der Wagen glitt die Straße entlang, die von den Schatten großer Eichen bedeckt wurde. Die aufgehende Sonne funkelte durch die jungen Rebenblätter und tauchte den Boden in ein hellgrünes Licht. Richard nahm sich vor, sich mit seiner Familie endlich wieder einen Urlaub zu gönnen, um dem trostlosen Winter am Kap zu entfliehen. Eine zweiwöchige Überraschungsreise in
irgendein exotisches Land, wo sie in der Sonne liegen und unbeschwerte Stunden miteinander verbringen konnten.
    Vielleicht Bali, überlegte er, während sich die Schranke hob und er das Anwesen verließ, um auf die Hauptstraße einzubiegen. Gebräunte Körper, die müßig nebeneinander im Sand lagen und die Sonnenstrahlen in sich aufsogen, während ganz Kapstadt in Regenjacken und feuchten Schuhen nach Unterschlupf suchte. Oder vielleicht auch an einen interessanteren Ort wie Ägypten oder Marokko. Genau, dachte er - irgendwo ins nördliche Afrika, wo er seiner Familie die wahre Schönheit des Kontinents zeigen konnte. Die Üppigkeit der afrikanischen Seele.
    Richard seufzte laut, und sein Herz verkrampfte sich. Er merkte, wie er in Gedanken unweigerlich wieder zu Abayomi und seiner Hoffnung zurückkehrte, sie bald wiederzusehen.
    »Verdammt!« Er schlug mit beiden Händen derart auf das Lenkrad ein, dass die Reifen auf der Straße schlingerten. Warum gelang es ihm nicht, dieser unreifen Faszination zu entkommen? Weshalb war es ihm nicht möglich, die ungewohnten Gefühle zu beherrschen, die ihn auch jetzt wieder im Griff hatten? Gefühle, die ihn abstießen und gleichzeitig erschreckend stark in ihren gnadenlosen Bann zogen.
    Die Autos standen bis auf die Auffahrt des Highway, und er musste bremsen. An den Telefonmasten hingen Tafeln mit den Schlagzeilen der verschiedenen Zeitungen. Richard starrte durch das Beifahrerfenster zu seiner Linken. »SA-Kricket in Krise« - »Überfall auf Touristen«. Er dachte daran, was Abayomi gesagt hatte. Die Paranoia der Begünstigten, von denen sich die Untergangspropheten wie Schakale von vergiftetem Aas ernährten. Die Boulevardzeitungen waren nicht besser, nur dass sie allein auf Schock setzten, ohne die pessimistische Analyse gleich mitzuliefern: »Mann isst Kind« und »Süchtiger tötet Bergie« verkündeten die Plakate.

    Richard wandte den Blick ab. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass jemand neben seinem Auto stand und geduldig darauf wartete, dass er die Schlagzeilen zu Ende gelesen hatte. Der junge Mann hatte sein Gesicht mit roten und weißen Strichen angemalt. Er trug eine kränklich gelbe Perücke aus Schaumstoff und Schnüren. Mit einem leeren Grinsen hielt er ein gefaltetes Papier mit Witzen gegen die Windschutzscheibe. Richard saß in der Falle und begann seine Taschen abzuklopfen, als suchte er nach seinem Geldbeutel. Die Ampel schaltete auf Grün, und er fuhr sofort los. Mit quietschenden Reifen bog er auf den Highway ein, wo er sofort wieder abbremsen musste, so dicht rollte der Verkehr dahin.
    Als sein Handy in dem Plastikhalter am Armaturenbrett zu klingeln und vibrieren begann, zuckte er erneut nervös zusammen. Mit jedem Läuten wurde der Ton lauter. Richard starrte nach vorn, während er mit der freien Hand nach dem Telefon fasste. Er drückte auf den grünen Knopf und sprach in Richtung des kleinen Mikrofons, das diskret hinter dem Blendschutz angebracht war.
    Es war Nadine. Richard überraschte es immer wieder von Neuem, wie früh sie schon in der Kanzlei war. Obwohl es nicht zu ihren Pflichten gehörte, saß sie doch jeden Morgen lange vor ihm im Büro, sortierte seine Post und kümmerte sich um seinen Terminkalender.
    Sie verschwendete auch diesmal keine Zeit für belanglose Nettigkeiten. »Ich habe hier eine Nachricht von Staatsanwalt Dumbela«, erklärte sie.
    Richard runzelte die Stirn. Die Verhandlung war erst in einer Woche angesetzt, und der Austausch der Akten hatte bereits stattgefunden. Es gab keinen

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