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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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drängten nur so aus ihm heraus.
    Sie lachte auf - ein sanftes Raunen in seinem Ohr, das gleich wieder verklang. »Danke, Richard. Das klingt gut. Dann also bis morgen. Vielen Dank, mein Lieber.«
    Aus dem Mund eines anderen hätte diese liebevolle Anrede vermutlich hohl geklungen. Doch Richards Herz tat einen Satz, als er die Worte hörte. Die Verbindung wurde abgebrochen, aber er lief weiterhin auf und ab und klopfte dabei mit dem Handy immer wieder auf seine geöffnete Handfläche.
    Wieso unterschied sich seine jetzige Hilflosigkeit derart von dem Gefühl der Entmachtung, das er empfand, wenn er sich Amandas kühler Überlegenheit zu Hause gegenübersah? Das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, hatte in diesem Fall etwas Belebendes und vermittelte ihm nicht den Eindruck, dass seine Position untergraben wurde. Das Glücksgefühl einer unvermeidlichen Hingabe machte das Ganze für ihn so angenehm. Und doch blieb er den Rest des Tages über angespannt.
     
    Milo’s war ein kleiner, unauffälliger Coffee-Shop in De Waterkant. Richard eilte die schmale Straße entlang, vorbei an den geschlossenen Türen der Schwulenclubs und der italienischen Feinkostläden. Angenehme Gerüche kamen aus einer Patisserie, wo gepflegt wirkende Männer und Frauen an hohen Tischen standen und Espresso schlürften. Die Veredelung des alten Viertels wurde unübersehbar vorangetrieben. Die Stoeps aus Malmesbury-Schiefer und die gusseisernen Balustraden verschwanden nach und nach und wurden durch Sandstein und teure Eisenkonstruktionen ersetzt. Der kunstvolle Verputz der Gebäude
konnte meist nicht erhalten werden und wurde deshalb durch Rauputz und importierten Marmor ausgetauscht.
    Der Coffee-Shop lag eingeklemmt zwischen zwei renovierten Häusern. Ein verrostetes Schild hing über dem Eingang. Milo’s war nicht sonderlich beliebt, und er hoffte, dass sie hier miteinander sprechen konnten ohne aufzufallen. Insgeheim befürchtete er nämlich, dass sie knapp bekleidet erscheinen könnte, zu aufdringlich geschminkt und mit zu hohen Absätzen. Er schämte sich, so etwas zu denken, fast so, als ob er ihr damit in den Rücken fallen würde. Doch er vermochte die Vorstellung nicht abzuschütteln, wie sich andere Männer bei ihrem Anblick anzüglich zugrinsen könnten. Noch schlimmer wäre es allerdings, wenn er zufällig einem Kollegen begegnen würde und sie als Klientin vorstellen müsste.
    Er hätte sich keine Sorgen machen müssen. Sie hatte sich bereits an einem Tisch in der Ecke niedergelassen, als er eintraf, las in einer Zeitung und nippte an einem frisch gepressten Orangensaft. Als er sie sah, spürte er, wie ihm das Adrenalin durch die Adern schoss. Sie hatte ihre mit Perlen geschmückten Zöpfe mit einem Tuch hochgebunden, so dass sie hinten in einem dichten Büschel abstanden, bestimmt und selbstbewusst. Ihr Kleid war schlicht. Es fiel in einer fließenden Linie von ihren glatten Schultern bis zu ihren Füßen. Ihre Haut schimmerte warm.
    Nachdem sie ihn entdeckt hatte, stand sie auf und wartete darauf, dass er sich einen Weg zu ihr bahnte. Sie wirkte beunruhigt und aufgewühlt, fast so, als hätte sie nicht damit gerechnet, ihn zu sehen, oder als hätte sie vielleicht sogar jemand anderen erwartet. Wahrscheinlich sieht sie jetzt, im ungetrübten Tageslicht, wer ich wirklich bin, dachte Richard. Unsicher strich er sich das Haar aus der Stirn und lächelte.
    »Guten Morgen«, sagte er und beugte sich vor, um ihr einen
Kuss auf die Wange zu drücken. Dabei versuchte er, ihren Geruch wahrzunehmen - ein vager Duft nach Holz und Moschus -, doch Abayomi trat einen Schritt zurück, ehe er ihn genau ausmachen konnte. Sie hatte sich geschminkt. Allerdings hatte sie kein aufdringliches Rouge aufgetragen, sondern sich nur zart die Wimpern umrahmt, wodurch ihre Augen besser zur Geltung kamen. Ihre Lippen schimmerten glänzend rosa. Sie sah großartig aus, was Richard ihr auch sagte, als sie sich an den kleinen Tisch zwischen ihnen setzten.
    »Danke«, erwiderte sie schlicht und doch förmlich. Sie blickte auf den Tisch, und Richard wurde bewusst, dass ein Treffen mit einem Kunden außerhalb ihres Studios für sie ebenso viele Grenzen überschreiten musste, wie es das für ihn tat.
    »Danke, dass du gekommen bist. Ich bin dir wirklich dankbar«, sagte sie nach einer Weile. Dann blickte sie auf und lächelte. Richard hätte am liebsten die Hand ausgestreckt und nach der ihren gefasst. Er hätte ihr gern über die Wange gestreichelt und ihr

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