Würstelmassaker
weiß der Dr. Leuburger mehr, mit dem hat sie sich immer über das Lotto unterhalten .«
Wie sich herausstellte, war besagter Herr vor knapp 3 Monaten Bewohner der Residenz geworden. Das gemeinsame »Laster« Lotto hatte die beiden sich rasch anfreunden lassen.
Palinski wollte natürlich sofort mit dem Mann sprechen, aber Leuburger war wegen einer Familienfeier einige Tage in Baden und wurde erst am Wochenende zurück erwartet. Wahrscheinlich wusste er noch gar nichts vom Tod seiner Lottofreundin.
Auf dem Weg zurück ins Büro hielt Palinski kurz an der rund 300 Meter von der Seniorenresidenz entfernten Trafik. Hinter der Budel stand eine junge Frau, die sich sofort als Aushilfe outete und »keine Ahnung von nix« hatte. Der Chef, der alles wusste, war immer vormittags anzutreffen.
Florian sollte heute das erste Mal im Gästezimmer des »Instituts für Krimiliteranalogie«, wie Palinski sein Büro etwas bombastisch nannte, übernachten. »Und vorher gehen wir in das italienische Restaurant«, lud ihn Mario ein, »die haben eine voll coole Pizza .«
Florian musste ein Lachen unterdrücken und Palinski, der das bemerkt hatte, wollte wissen warum.
»Und du bist nicht sauer, wenn ich es dir sage ?« , wollte sich der junge Mann absichern.
»Nein, überhaupt nicht. Offenheit ist das Geheimnis jeder guten Zusammenarbeit .« Klang gut, aber ein bisschen großspurig, musste er sich selbst eingestehen. Vor allem aber hielt er sich selbst häufig nicht daran.
»Also gut! Versuch doch nicht, die Sprache meiner Generation nach zu machen. Erstens kannst du’s nicht und zweitens wirkt es nur lächerlich. Selbst wenn du’s perfekt könntest.«
Das saß, und Palinski hatte Mühe, eine spontan hochkommende, etwas bissige Bemerkung zu unterdrücken. Schließlich hatte Florian recht und er die Kritik herausgefordert.
»Bist du jetzt sauer ?« , Florian war nicht ganz sicher, ob er die Toleranz des älteren Freundes nicht doch zu sehr strapaziert hatte.
»Nein«, brummte Palinski zurück, »aber Freude habe ich auch keine damit. Daran bin ich aber selbst schuld. Du hast völlig recht .«
»Bist du mir sehr böse, wenn ich nicht zum Essen mitkomme ?« Florian wollte offenbar das Fußballspiel sehen, das am Abend im Fernsehen übertragen wurde.
»Aber du versäumst eine Spitzen …, eine ganz hervorragende Pizza. Allerdings kann ich schon verstehen, dass du lieber das Match sehen möchtest«, räumte er ein. »Ich würde mir die Partie auch gerne geben. Na, vielleicht schaffe ich ja die zweite Halbzeit noch. Also ich habe nichts dagegen .«
»Aber ich will mir gar nicht das Fußballspiel ansehen«, widersprach Florian. »Ich möchte mich mit den Lottoscheinen befassen. Dahinter kommen, warum das Opfer die Scheine Tante Nettie zum Aufbewahren gegeben hat. Das muss doch einen Grund gehabt haben .«
Palinski war sprachlos. Der Bursche war wirklich gut, der geborene Kriminalist, der eine Spur erkannte und sich sofort in sie verbiss. »Das ist natürlich auch ok«, er grinste breit. »Ich glaube, wir haben auch einige Angaben zum Suchwort »Lotto« in der Datenbank. Welche Pizza magst du denn am liebsten ?«
Jetzt grinste auch Florian. »Eigentlich jede, nur nicht die mit Ananasstücken und die mit Spinat.«
»Sehr gut, dann lasse ich dir später was ins Büro bringen. Wer gut arbeitet, muss auch gut essen .«
*
Wilma stand am Fenster und blickte auf die Straße hinunter. Hinüber zu dem italienischen Restaurant, das für Mario in den letzten Jahren so etwas wie ein Refugium geworden war. In das er sich häufig zurückzog, sobald ihre eigenartige, wie eine Sinuskurve verlaufende Beziehung wieder einmal auf die Talsohle zusteuerte oder bereits dort angelangt war. Nein, das stimmte so nicht. Sein Refugium war natürlich diese ursprünglich schäbige, ehemalige Hausbesorgerwohnung auf Stiege IV, die er inzwischen in ein, wie sie gehört hatte, gemütliches, komfortables und durchaus herzeigbares Wohnbüro verwandelt hatte. »Mama Maria« dagegen war die zu diesem Refugium gehörige Küche, sein externes Esszimmer. In das er sie heute zum ersten Mal eingeladen hatte.
Ebenso wie das Büro kannte sie das italienische Restaurant bisher nur von den gelegentlichen flüchtigen Bildern, die sie beim Vorübergehen oder aus der abgehobenen Perspektive des dritten Stockwerks einfangen hatte können. Sie fragte sich, ob sie den Besuch dieser beiden im Leben Palinski so wichtigen Stätten bewusst vermieden hatte. Vielleicht aus
Weitere Kostenlose Bücher