Würstelmassaker
hatte sie tatsächlich geschrieben, später aber nicht genau erklären können, was sie damit eigentlich gemeint hatte. Aber es hatte gut geklungen, sehr gut sogar, hatte der Schlächter gefunden. Das war im vorigen November und gut fürs Weihnachtsgeschäft gewesen. Immerhin hatte er vier Bilder verkaufen können, eines davon sogar an den Bürgermeister von Groß-Rammersdorf. Sie werden nie erraten, was auf dem Gemälde abgebildet war.
Kurz nach Weihnachten hatte er dann das erste Mal die Stimme gehört. Zunächst hatte sie bloß mit ihm gesprochen, so wie man mit jemanden spricht, den man gerade erst kennen gelernt hat und den man besser kennen lernen möchte.
Damals war er sehr dankbar dafür gewesen, denn er war sehr einsam und hatte niemanden, mit dem er sprechen konnte. Unmerklich wurde die Stimme aber immer eindringlicher, egoistischer, besitzergreifender, ja sogar eifersüchtig. Das gipfelte schließlich darin, dass ihm die Stimme eines Tages streng und ohne Widerspruch zu dulden den Auftrag gab, das Mädchen zu entfernen. Jene nette kleine 17-jährige, die er auf einem Faschingsfest der Pfarrgemeinde in Neu-Haslau kennen gelernt hatte. Und mit der er sich danach einige Male getroffen hatte.
Er hatte sich zunächst geweigert, dieser Aufforderung Folge zu leisten, aber die Stimme hatte ihm gedroht, nicht mehr mit ihm sprechen zu wollen.
Dann war sie plötzlich wieder besonders nett zu ihm gewesen. »Schau«, hatte sie ihm eingeflüstert, »wir müssen sie los werden. Es ist zu unser beider Nutzen. Wir müssen tun, was das Beste für uns ist. Alles andere ist geschissen .«
Dagegen hatte er nichts mehr zu sagen gewusst. Der Wirbel, der nach dem Auffinden der Leiche ausgebrochen war, hatte ihn sehr irritiert. Vor allem die weinenden Eltern, denen er einige Wochen am Hof ausgeholfen hatte, weil sie in dieser Situation keine Kraft mehr für die Arbeit hatten. Sie waren ihm sehr dankbar gewesen und hatten ihn in ihre Gebete eingeschlossen. Erst nachdem dieser alte Slowake verhaftet und im Mai verurteilt worden war, war langsam wieder Ruhe eingekehrt.
Eines hatte er aber aus der Geschichte gelernt. Eine Leiche musste man gleich richtig verschwinden lassen. Die Stimme hatte ihm das genau erklärt. Dadurch würde die Gefahr, dass man Schwierigkeiten bekam, drastisch reduziert. Die Stimme war klug und so hatte er beschlossen, mehr als schon bisher auf sie zu hören. Er war sicher, das würde nur zu seinem Besten sein.
Aus der Ferne hörte der Schlächter zorniges Schreien. Der Lärm wurde unverkennbar vom Neuzugang verursacht, der jungen Frau mit der aufreizenden Figur. Sie sah sehr gut aus, war aber rotzfrech gewesen. Zumindest am Anfang, als sie das Ganze noch für einen Scherz gehalten hatte. Er überlegte, ob er sie noch heute behandeln sollte, aber die Stimme hatte ihm noch kein grünes Licht gegeben.
Sein zweiter Gast war ihm da schon viel lieber. Diese zarte kleine Frau mit den unendlich tiefen, graugrünen Augen und dem entzückenden Akzent. Sie war jetzt schon mehr als drei Wochen hier und er hatte sich in sie verliebt. In den ersten Tagen hatte sie ebenso geschrieen wie die Neue, aber inzwischen war sie viel ruhiger geworden. Nur gelegentlich hörte er sie schluchzen, wimmern, sich leise in den kurzen Schlaf weinen. Die Stimme hatte es ihm schon zwei Mal frei gestellt, dieses herrliche Geschöpf zu behandeln, aber er wollte sich das Beste für den Schluss aufheben.
Es war spät geworden. Er hatte morgen Vormittag frei und konnte daher heute hier übernachten. So hatte er Gelegenheit, seinen beiden Gästen morgen in Ruhe beim Duschen zuzusehen, ehe er wieder nach Wien zurückfuhr.
Aber vor dem Schlafengehen wollte er ihnen noch eine kleine Freude bereiten und einen Kakao sowie ein paar Kekse vorbei bringen. Die in Schokolade getunkten, die sein Liebling so gerne mochte.
*
Während der Fahrt im Taxi berichtete Florian, was ihm Wallner gesagt hatte. Auf einer Wiese hinter dem Lusthaus hatte ein älteres Liebespaar auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen eine voraussichtlich weibliche Leiche entdeckt. Zerstückelt, aber komplett. Was immer der Oberinspektor in diesem Zusammenhang unter »komplett« verstand, konnte Palinski nur ahnen. Vermutlich bedeutete das, dass sämtliche Leichenteile vorhanden waren. Damit stieg die Wahrscheinlichkeit, dass der Fundort der Leiche gleichzeitig auch der Tatort war. Blutspuren am Boden würden diese Frage eindeutig beantworten.
Aber das ganze
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