Würstelmassaker
morgen beherrschen würde. Die desaströse Schau, die Oberstleutnant Kranzjenich geliefert hatte, war das alles beherrschende Thema.
Die Geschichte mit der Schweinsstelze im Auto eines angeschickerten Heurigenbesuchers, die ihn in Verbindung mit den Spuren des Nasenblutens seiner kleinen Tochter in den Verdacht gebracht hatte, der gesuchte »Schlächter« zu sein, war der Lachschlager nicht nur der Saison. Der Vorfall sollte der »Villacher Faschingsgesellschaft« sogar als Vorlage für einen viel bejubelten Sketch dienen und im kommenden Februar vom Fernsehen zur Primetime ausgestrahlt werden.
Im Augenblick wurde der Vorfall vor allem zum Anlass genommen, die schleppenden Ermittlungen des BKA in Frage zu stellen. Aber auch der personelle Notstand, der zu dem peinlichen Vertauschen der Untersuchungsberichte durch eine Aushilfskraft geführt hatte, gab einigen Kommentatoren ernsthaft zu denken.
Erstaunlicherweise kamen der Minister und vor allem Ministerialrat Schneckenburger in den teilweise schon sehr zynischen Betrachtungen relativ gut davon. Man konzidierte beiden, rasch und entschlossen gehandelt und damit ein Eskalieren der Situation verhindert zu haben.
Die besten Kritiken erhielt das dem Desaster gefolgte, von den Wiener Fleischhauern gesponserte Schlachtbuffet, das wirklich exzellent gewesen sein musste. Besonders die Blutwurst als schmackhaft-rustikale Erinnerung an die Vergänglichkeit des Lebens wurde von den Gesellschaftsredaktionen ausdrücklich gelobt. Ja, ein renommierter Gastrophilosoph verstieg sich sogar in eine metaphorische Betrachtung der »Blunzn als Antwort auf die ewigen Fragen der Menschen .« So in der Art: »Woher kommen wir, wohin gehen wir und was essen wir in der Zwischenzeit ?«
Aber es wäre nicht Wien gewesen, hätten sich nicht auch einige klugscheißende Gutmenschen gefunden, die die Angemessenheit eines derartigen Buffets bei einer Veranstaltung zu diesem Thema in Frage gestellt und von »einer leichten Geschmacksverwirrung« gesprochen hatten. Nun, man konnte es wohl nie allen recht machen.
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Nachdem Palinski mit Franca vereinbart hatte, sich morgen als Erstes mit dem Trafikanten zu unterhalten, bei dem die Lottotipps der Frau Kommerzialrat abgegeben worden waren und sich gleich danach bei ihr zu melden, hatte er sich auf den Weg in sein Büro gemacht.
Hier wartete schon Florian mit einer interessanten Idee auf ihn. Falls eine oder einer der Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen der Seniorenresidenz die Frau Kommerzialrat tatsächlich um die in Summe nicht unbeträchtlichen Lottogewinne betrogen haben sollte, so könnte sich das doch durch einen in den letzten Wochen geänderten Lebenswandel ausdrücken. Oder durch Mehrausgaben, die in den sicher nicht allzu üppigen monatlichen Einkünften keine Deckung fanden, meinte er.
Die Idee hatte was für sich, fand auch Palinski. Bloß konnte das sicher erst nach Vorliegen eines entsprechenden richterlichen Befehls untersucht werden. Und für den benötigte die Polizei einen ausreichenden Tatverdacht gegen eine bestimmte Person. Aber es konnte nicht schaden, Tante Nettie zu fragen, ob ihr etwas in der Art aufgefallen war.
Eben begannen die Regionalnachrichten für Niederösterreich, die in Palinskis kleinem TV-Gerät empfangen werden konnte. Er wollte das Gerät schon abschalten, als ihn die zweite Meldung dieses Abends plötzlich aufmerksam zuhören ließ.
»Wie wir eben erfahren, hat Ing. Wilfried Labuda in einer Aussendung an die Presse mitgeteilt, dass er entgegen anders lautender Gerüchte nicht für eine Position in der neuen Landesregierung zur Verfügung stehen werde. Als aussichtsreichster Kandidat für das Ressort Familie und Umwelt wird jetzt Magister Reinhard Führich vom BÖA, dem Bund Österreichischer Arbeitnehmer, gehandelt. Und nun zur Kultur: in Amstetten …«
Palinski war beeindruckt. Der Minister hatte Wort gehalten und rasch gehandelt. Werner Labuda konnte zufrieden sein und seine Mutter auch. Und Vater Labudas Gefühlszustand interessierte ihn nicht. Wirklich nicht.
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Die Untersuchung der beiden Studenten-Appartements am Döblinger Gürtel verlief ergebnislos. Allfällig vorhanden gewesene Spuren waren von den neuen Mietern schon längst vernichtet worden. Dann prüften die Beamten, ob es weitere Fälle überraschender »Kündigungen« gab, ob sich andere Studenten plötzlich über Nacht verabschiedet hatten. Da die Ferien noch voll im Gange und die meisten Nicht- Wiener Studenten überall,
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