Würstelmassaker
heute früher als sonst nach Hause zu kommen, um die derzeit herrschende ausgezeichnete Stimmung nicht wieder zu gefährden und die Friedensdividende neuerlich kassieren zu können. Die letzten beiden Nächte hatten ihn so richtig auf den Geschmack gebracht.
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Auch Oberinspektor Wallner hatte seinen Tag früh begonnen. Nach der ersten Befragung Arthur Melhams gestern Abend, die durch den falschen Alarm im Prater abrupt beendet worden war, hatte sich der zunächst nur vage Verdacht gegen den Mann erheblich verdichtet. Zwar hatte er keine medizinischen oder gar chirurgischen Vorkenntnisse. Als Sohn eines Fleischermeisters hatte er diesen Beruf aber ebenfalls erlernt und Erfahrungen mit der Zerlegung von Schlachttieren. Dazu kam, dass er ein ausgezeichneter Holzschnitzer war. Und damit einem Hobby nachging, das den geschickten Umgang mit dem Messer voraussetzte.
Den Hinweis eines Gerichtsmediziners, dass die besonders sorgfältige und gekonnte Naht, mit der die Hautlappen über den jeweiligen Amputationsstellen genäht worden waren, auf einen Schüler eines gewissen Professor Strasshammer hinwies, maß Wallner zu diesem Zeitpunkt keine zu große Bedeutung bei. Vielleicht hatte Melham ja auch eine Oma gehabt, die ihm Nähen und Sticken beigebracht hatte.
Sehr belastend war auch der sich immer deutlicher abzeichnende Handel mit Studentenwohnungen. Das riesige Haus gehörte einem gewissen Dr. Angeler, einem ehemaligen Rechtsanwalt, der seinen Ruhestand an der Costa del Sol verbrachte und seinem Hausverwalter alle Vollmachten eingeräumt hatte. Was Dr. Angeler einzig interessierte war, dass die Rendite stimmte.
Wie sich teilweise aus der Befragung, zum Teil auch aus den vorgefundenen Unterlagen ergeben hatte, hatte Melham namhafte Summen dafür kassiert, dass er Interessenten gegen Bezahlung auf der Warteliste vorreihte. Von den Glücklichen hatte er auch eine Erfolgsprämie kassiert und darüber hinaus noch nicht unerhebliche, sachlich aber nicht gerechtfertigte so genannte Ablösen vorgeschrieben. Die meisten dieser Zahlungen erfolgten schwarz und wurden in die Sammelbüchse geleistet. Was bei den Zahlern gleichzeitig das angenehme Gefühl hervor rief, damit auch etwas für die »armen Kinder« getan zu haben.
Bis zu diesem Punkt war Melham relativ gesprächig gewesen. Von da aber bestritt er jeglichen Zusammenhang seiner Vergehen mit dem grauenhaften Geschehen und bezeichnete die Tatsache, dass mindestens zwei der acht Opfer Bewohner des von ihm verwalteten Hauses waren, als reinen Zufall. Das war der Stand, bei dem der Oberinspektor die Einvernahme Arthur Melhams um 7.45 Uhr fortsetzte.
»Also gut«, begann Wallner, »dann erzählen Sie mir einmal, warum die beiden Opfer aus Ihrem Hause über Nacht ausgezogen sind, später telefonisch gekündigt und ihre Sachen abholen lassen haben .«
»Keine Ahnung, Herr Hauptkommissar«, der Befragte zuckte bedauernd mit den Achseln. »Tut mir leid, aber ich habe nicht darüber nachgedacht .«
»Sie sehen zuviel Tatort«, vermutete Wallner, »bei uns gibt’s keinen Hauptkommissar. Ich bin Oberinspektor. Aber zur Sache: Ist Ihnen diese Vorgangsweise, diese Duplizität der Fälle nicht seltsam vorgekommen ?«
»Jetzt wo Sie es sagen, Herr Haupt …, Oberinspektor«, korrigierte sich Melham, »kommt mir das auch eigenartig vor .«
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Kurz nach 8 Uhr betraten Palinski und Florian die Trafik, in der nach Aussagen Dr. Leuburgers die Lottotipps der Frau Kommerzialrat Stauffar regelmäßig angenommen worden waren. Das kleine Geschäft war voll mit Menschen, die sich auf dem Weg zur Arbeit mit einer Zeitung oder ihrer Ration Nikotin eindecken wollten. Der alte Mann und die junge Frau, die hinter der mit Zeitschriften, kleinen Souvenirs und einem Verkaufsständer mit Wegwerffeuerzeugen voll geräumten Budel standen, hatten alle Hände voll zu tun.
Als Palinski endlich an die Reihe kam und sein Anliegen erklärt hatte, war Herr Mühlhauser, der Trafikant, gerne zu einem Gespräch bereit. »Aber Sie sehen ja, wie es hier im Moment zugeht. In einer halben Stunde ist das Frühgeschäft vorbei«, erklärte er, »dann kann ich Tanja alleine im Geschäft lassen. Würden Sie bitte solange warten ?«
Natürlich konnte Palinski einer so höflich vorgetragenen und vor allem begründeten Bitte nur zustimmen. Und so saß er jetzt mit Florian auf einer Bank in dem kleinen Park neben der Autobusstation und genoss die kräftige Spätsommersonne.
»Kann ich nächste Woche wieder zu dir
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