Würstelmassaker
Erscheinungsbild dieses weiteren Verbrechens trug so gar nicht die Handschrift des »Schlächters von Döbling .« Das fing mit dem Fundort im Prater an, der selbst bei großzügigster Definition nicht als Nahbereich des 19. Bezirks bezeichnet werden konnte. Dann konnte die Verteilung der einzelnen Leichenteile an den verschiedensten Stellen bereits als Markenzeichen dieses pathologischen Killers bezeichnet werden. Last, but not least, falls die Leiche tatsächlich komplett war, musste auch der Kopf gefunden worden sein. Bisher war man davon ausgegangen, dass der Schlächter sich diesen ganz besonderen Teil der Körper seiner Opfer als Trophäe behalten hatte. Warum sollte er jetzt plötzlich darauf verzichten? Der Verdacht, dass sich ein Trittbrettfahrer die Chance nicht entgehen lassen wollte, irgendeinen ungeliebten Menschen los zu werden und die Tat dem »Schlächter« unterjubeln zu wollen, lag daher sehr nahe.
Vor dem Lusthaus, dem ehemaligen kaiserlichen Jagdpavillon am Ende der Prater Hauptallee, standen einige Polizeifahrzeuge. Da Florian einen der Beamten, die das Gelände absicherten, kannte, gab es keinerlei Probleme zum Ort des schrecklichen Geschehens vorzudringen.
Nun sind Polizisten, insbesondere Kriminalbeamte, Menschen, die angesichts eines Mordopfers etwas abgeklärter reagieren als der Durchschnittsbürger. Das hat mit Gewöhnung und Selbstschutz zu tun, andernfalls würden die Frauen und Männer an ihrem Beruf zerbrechen.
Etwas anderes war der taktvolle Umgang mit der Situation, die pietätvolle Auseinandersetzung mit den Angehörigen und sonstigen Betroffenen eines Verbrechens an Leib und Leben. Schon von Ferne konnte Palinski an dem lauten Gelächter erkennen, dass es sich in diesem Fall um den »lustigsten Mord« der Wiener Kriminalgeschichte handeln musste. Selbst kein Freund von Traurigkeit, fand er dieses Verhalten aber im höchsten Maße unpassend. Eine Geschmacklosigkeit ohnegleichen.
Als er dann die einzelnen Teile der »Leiche«, die über eine Fläche von etwa 4 Quadratmetern verteilt da lagen, sah, verstand er die allgemeine Heiterkeit, die jetzt allerdings mehr nach Erleichterung denn nach richtigem Spaß klang.
Bei dem Opfer handelte es sich um eine unbekleidete, in zusammengesetztem Zustand etwa 1,70 große Kleiderpuppe, die mit Spray, Lippenstift und was weiß noch allem fürchterlich grauslich geschminkt worden war. In den Boden hinter dieser Ansammlung an bemalten Plastikteilen war eine Tafel mit der Aufschrift gerammt: »Schöne Grüße vom Leopoldstädter Schlächter an den Döblinger Kollegen .« Wie es aussah, ein nicht gerade geschmackvoller Studentenulk oder etwas in der Art. Ein richtiges Ärgernis, für dessen Beseitigung der Steuerzahler würde aufkommen müssen. Aber immer noch besser als eine wirklich Leiche, fand Palinski. Dessen Relativitätstheorie immer einen tröstlichen Vergleich bereit hielt.Viel besser. Die insgesamt ambivalente Beurteilung dieses Vorfalles kippte allerdings eindeutig ins Negative, als etwas später bekannt wurde, dass der etwa 47-jährige Mann, der mit seiner 30-jährigen Freundin das »Gesamtkunstwerk« entdeckt, aber seine Harmlosigkeit nicht erkannt hatte, mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert hatte werden müssen. Damit bekam die bisher bestenfalls als »Erregung öffentlichen Ärgernisses« zu qualifizierende Inszenierung eine eindeutige strafrechtliche Relevanz und die komplette Mannschaft musste sich doch noch an die Arbeit machen.
8
Der junge Morgen versprach neuerlich einen wirklich heißen Tag in der zweiten Augusthälfte. Palinski war wieder einmal sehr früh aus den Federn gekrochen, da er sich für heute einiges vorgenommen hatte.
Er hatte schon befürchtet, dass Wilma nach seinem gestrigen Abgang sauer sein würde. Er war daher nach einem kurzen Äusserlgang mit den Hunden sofort in die Wohnung hinauf gegangen, um seine Holde zu besänftigen. Doch siehe da, Wilma war noch gar nicht zu Hause gewesen, sondern erst kurz nach ihm heimgekommen.
In bester Laune hatte sie kein einziges Wort des Vorwurfes verloren, sich Palinskis Schilderung des makabren Fundes angehört und das Schicksal des unschuldigen Opfers des üblen Scherzes bedauert. Dann hatten sie noch über die Eigenarten Tante Miriams diskutiert, schließlich sogar gestritten und daher die nachfolgende Versöhnung besonders genossen.
Wilma schlief noch, als er sich jetzt über sie beugte und ihr einen Kuss auf die Stirne drückte. Er nahm sich vor,
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