Würstelmassaker
Schatzi, du bist schon hier ?« Es war Wilma, die diese bemerkenswerte Feststellung getroffen hatte. Jetzt trat sie vor ihn hin, spitzte ihre Lippen und ließ sich von ihm küssen. Dann deutete sie mit großer Geste auf das wie ein Sonderangebot einsam im Raum stehende Bett. »Und was sagt du dazu ?«
Palinski starrte sie entgeistert an. Obwohl ihm ein »Au weh« und dann auch ein »Warum« auf den Lippen kitzelten, schwieg er trotzig.
»Ich weiß«, meinte Wilma, »es ist etwas gewöhnungsbedürftig. Dafür wirst du heute Nacht aber so gut schlafen wie schon lange nicht mehr .«
9
Der Druck der Medien auf die Polizei und die vorgelagerten Behörden, der sich über die Wochen kontinuierlich aufgebaut hatte, hatte nach den Ereignissen der letzten Tage ein bedrohliches Level erreicht.
Nach dem blamablen Verlauf der Pressekonferenz, in der man den Journalisten eine Schweinsstelze als Teil des jüngsten Opfers des Schlächters verkaufen wollte, hatte sich die hungrige Meute noch mit der medialen Schlachtung des glücklosen Oberstleutnant Kranzjenich zufrieden gegeben. Nach dem makabren, aber vergleichsweise harmlosen »Scherz« mit der zerlegten Kleiderpuppe hinter dem Lusthaus im Prater, welcher der ganzen Nation zunächst ein mediales Hohngelächter beschert hatte, schlug die ohnehin schon mehr als angespannte Stimmung in der Bundeshauptstadt, aber auch im übrigen Land in blanke Hysterie um.
Innenminister Dr. Fuscheé, der auch als Seismograph sehr gute Figur gemacht hätte, witterte sofort die Gefahr, die jetzt auch und vor allem ihm als politisch Verantwortlichen drohte.
Die erregte Öffentlichkeit verlangte Taten. Am besten die Verhaftung des »Schlächters« selbst oder ersatzweise zumindest die öffentliche Hinrichtung eines politischen Opfers. Da sich die erhitzten Gemüter wohl kaum mit Ministerialrat Schneckenburger zufrieden geben würden, war Fuscheé völlig klar, um wessen Kopf es jetzt ging. Um seinen eigenen. Und das wollte dem großen Mann ganz und gar nicht gefallen.
Und so tagte die zwar nicht überraschend, zu diesem Zeitpunkt aber unerwartet einberufene Krisensitzung im Ministerbüro bereits seit mehr als 2 Stunden. Nachdem der Minister allen Anwesenden ohne Rücksicht auf deren Rang und Namen zur Schnecke gemacht, den Kopf gewaschen und die Leviten gelesen hatte, und das in dieser Reihenfolge, hatte er das Fehlen eines wichtigen Kopfes festgestellt. »Wo ist eigentlich Palinski ?« , hatte er »Miki« Schneckenburger angeherrscht.
»Aber den wollte Oberstleutnant Kranzjenich bei diesem Fall doch ausdrücklich nicht dabei haben«, hatte der Ministerialrat erinnert, »und Sie selbst haben diese Weisung unterzeichnet .«
»Also Kranzjenich hat in dieser Sache jetzt überhaupt nichts mehr zu sagen«, hatte Fuscheé neuerlich losgebrüllt. »Und ob ich irgendetwas irgendeinmal unterschrieben habe oder nicht, interessiert mich im Moment überhaupt nicht. Ich will Palinski dabei haben, und zwar sofort. Stante pede, ist das klar? Das ist der einzige Mensch, der uns in dieser besch…, verzwickten Situation noch herausreißen kann .«
Auf die am Tisch sitzenden Mitglieder des ehemaligen Stabs Oberstleutnant Kranzjenichs hatte dieses leidenschaftliche ministerielle Bekenntnis zum Leiter des »Instituts für Krimiliteranalogie« wie ein plötzlicher Hagelschauer gewirkt, der sie während eines ohnehin schon heftigen Gewitterregens noch zusätzlich heimsuchte. Palinski war ihnen von ihrem ehemaligen Chef immer als besonders suspekter Zivilist, als Gottseibeiuns für das BKA dargestellt worden und das hatte ihre Einstellung zu diesem Mann mangels eigener Erfahrungen nun einmal nachhaltig geprägt.
Das konnte man so nicht akzeptieren, hatte daher auch Hauptmann Bimserl, der ranghöchste BKAler am Tisch, gefunden und war aufgesprungen. »Dagegen muss ich in aller Form schärfstens protestieren, Herr Minister. Das BKA lehnt es ab …«
Fuscheé hatte gar nicht wissen wollen, was das BKA ablehnte. »Sie wollen protestieren«, unterbrach er den schneidigen Offizier mit einer Stimmlage, die Haarspitzen hätte spalten können. »Gut, protestieren Sie, das ist Ihr gutes Recht. Aber nicht hier in diesem Büro«, er war wieder sehr laut geworden und deutete zur gepolsterten Doppeltüre, »sondern meinetwegen da draußen. Oder wo immer Sie wollen. Will noch jemand mitgehen zum Protestieren ?« , setzte der Minister noch nach, obwohl sich Bimserl schon wieder gesetzt hatte. Er war wortlos in seinem Stuhl
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