Wüstenfeuer
grinsend, »denn dort, wo das dort herkommt, liegt noch eine ganze Menge von dem gleichen Zeug herum.
8
Eine Stunde nach dem Morgengebet betrat Ozden Celik die Fatih-Moschee, eine der größten Moscheen Istanbuls, und fand die prachtvoll geschmückten inneren Hallen des Komplexes weitgehend verlassen vor. Er ging an der großen Gebetshalle vorbei, folgte einem Seitengang zum hinteren Teil des Gebäudes und gelangte von dort in einen kleinen Innenhof. Marmorne Trittsteine führten zu einem unscheinbaren Gebäude, das in einem Bereich stand, der für Touristen und Moscheebesucher gesperrt war. Celik ging zu dem Haus und öffnete eine massive Holztür.
Als er über die Schwelle trat, stand er in einem hellen und betriebsamen Büro. Hinter einem langen hölzernen Empfangstresen waren Arbeitszellen gruppenweise angeordnet und in allen Richtungen über den Großraum verteilt. Das Geräusch arbeitender Laserdrucker und klingelnder Telefone erfüllte die Luft und verlieh dem Ort die Atmosphäre eines Versandhaus-Call-Centers.
Nur der Geruch vom Weihrauch und die Fotografien von türkischen Moscheen an den Wänden ließen etwas anderes vermuten. Dies und die Tatsache, dass keine einzige Frau zu sehen war.
Celik stellte fest, dass alle Büroangestellten Männer waren und Barte hatten. Viele trugen lange Mäntel und bearbeiteten mit unterschiedlichem Eifer die Tastaturen ihrer Computer. Als Celik an den Tresen trat, erhob sich dahinter ein junger Mann.
»Guten Morgen, Mr. Celik«, begrüßte er den Besucher.
»Der Mufti erwartet Sie schon.«
Der Sekretär geleitete Celik an einer langen Reihe Arbeitsboxen vorbei zu einem geräumigen Büro. Die Innendekoration des Raums war bescheiden und bestand im Wesentlichen aus den obligatorischen türkischen Teppichen, die auf dem Fußboden lagen. Auffälliger waren die teilweise durchhängenden Bücherregale an den Wänden, die mit religiösen Büchern vollgepackt waren und die Gelehrtheit eines islamischen Mufti widerspiegelten.
Mufti Altan Battal saß hinter einem kahlen Schreibtisch und schrieb auf einem Notizblock, der von zwei aufgeschlagenen Büchern eingerahmt wurde. Er blickte auf und lächelte, als der Sekretär Celik ins Büro führte.
»Ozden, Sie sind angekommen. Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte er. »Hasan, sorg dafür, dass wir nicht gestört werden«, fügte er hinzu und schickte den Sekretär hinaus. Der Assistent verließ rückwärts gehend eilig den Raum und schloss hinter sich die Tür.
»Ich habe gerade nur noch ein wenig an meiner Freitagspredigt herumgefeilt«, sagte der Mufti und legte seinen Bleistift neben einem Mobiltelefon auf den Tisch.
»Diese Aufgabe sollten Sie lieber einem Ihrer Imame übertragen.«
»Vielleicht. Aber ich habe das Gefühl, dass genau darin meine Berufung liegt. Einen der Imame der Moschee damit zu betrauen könnte außerdem Eifersüchteleien zur Folge haben. Lieber sorge ich dafür, dass alle Imame von Istanbul mit einer einzigen Stimme sprechen.«
Als Mufti von Istanbul war Battal der theologische Führer aller dreitausend Moscheen der Stadt. Nur der Präsident des Diyanet Isleri, ein nicht durch Wahl vergebener Posten in der säkularen Regierung der Türkei, konnte größere spirituelle Macht über die muslimische Bevölkerung des Landes ausüben. Dennoch hatte Battal einen weit größeren Einfluss auf die Herzen und Gemüter der Moscheebesucher gewonnen.
Trotz seiner hohen Stellung hatte er nichts von dem klischeehaft strengen und weltfernen Kleriker mit rauschendem Bart an sich. Er war ein hochgewachsener, athletischer Mann mit einnehmendem Wesen. Noch nicht einmal fünfzig Jahre alt, spiegelte sein längliches Gesicht das sonnige Gemüt eines Labradorwelpen wider.
Häufig trug er Anzüge anstelle von traditionellen langen Mänteln und entwickelte manchmal eine Art von spöttischem Humor, der seine Version eines fundamentalistischen Islam beinahe als etwas Fröhliches, Unbeschwertes erscheinen ließ.
Aber trotz seiner heiteren Ausstrahlung war die Botschaft, die er verkündete, eher düster und trist. Aufgewachsen mit den extremen fundamentalistischen Lehrsätzen islamischer Interpretation, unterstützte er lautstark den Islamismus, also die Ausbreitung des Islam als sowohl religiöse wie auch politische Bewegung. Zu seiner Weltsicht gehörten eine strenge Begrenzung der Frauenrechte und eine entschiedene Abkehr von der westlichen Kultur sowie den westlichen Sitten und Gebräuchen. Er hatte sich eine Machtbasis
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