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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Reisetasche ergriff, sah ich Elias. Ich sah ihn auf mich zukommen, diese paar Schritte, die mir wie Schritte durch einen Traum erschienen. Seine Gandura warf bläuliche Schatten.
    Der sorgfältig geschlungene Schesch ließ nur die gewölbte Stirn, den leuchtenden Spalt seiner Augen sehen. Ich trat ihm entgegen, immer noch erfüllt von diesem verwirrenden Gefühl der Unwirklichkeit.
    Dabei stellte ich mir vor, wie er mich sehen mußte: schlank, die Haare zerzaust, in einem schwarzen Baumwoll-Parka, mit weiten khakifarbenen Hosen und Turnschuhen. Und jetzt stand ich vor ihm, war eingehüllt in die Wärme seines Körpers und den zarten Geruch von Holzkohle und Minze, der von ihm ausging. Mein Erstaunen, wenn ich ihn anblickte, blieb immer gleich. Aber diesmal hatte ich das Gefühl, dieses Staunen habe sich gewissermaßen aus sich selbst erneuert. Wir sahen uns an. Seine Finger streiften meine Handfläche.
    »Wie war die Reise?« fragte er kehlig. »Bist du müde?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Im Gegenteil, hellwach. Ich habe im Flugzeug geschlafen.«
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    Er lächelte mit den Augen und nahm mir die Tasche ab. Wir gingen nebeneinander zum Ausgang; wir gingen im gleichen Rhythmus, das fiel mir plötzlich auf. Draußen war die Sonne nur noch ein roter Streifen; die schnelle afrikanische Nacht hatte von der Landschaft Besitz ergriffen. Auf dem nahen Parkplatz blieb Elias vor einem staubigen Toyota-Landcruiser stehen und nickte mir zu.
    »Der gehörte meinem Vater.«
    Er verstaute meine Taschen zwischen zwei Benzinkanistern und breitete eine Decke darüber. Er hielt die Tür auf, während ich mich auf den Sitz schob. Dann ging er um den Wagen herum und setzte sich ans Steuer. Bevor er den Zündschlüssel drehte, wandte er mir das Gesicht zu. Ich sah im Dämmerlicht seine leuchtenden Augen.
    »Ich habe immer gewußt, daß du kommen würdest.«
    Das klang mir doch recht prahlerisch. Ich legte Ironie in meine Stimme.
    »So? Hast du nie daran gezweifelt?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Nie«, antwortete er. »Nicht einen Augenblick.«
    »Was hättest du getan, wenn ich nicht gekommen wäre?«
    Er blinzelte mir zu.
    »Man findet immer etwas, womit man sich beschäftigen kann.«
    Ich gab es auf.
    »Du bist nicht zu retten, Elias! Ich habe oft gedacht, daß ich nicht zurückkehren würde. Aber du hast mir eine Falle gestellt.«
    »Eine Schlingenfalle«, erwiderte er und setzte den Wagen in Gang.
    Ich blieb stumm, völlig versunken in der Wahrnehmung seiner Gegenwart. Aber länger als zehn Sekunden konnte ich nicht schweigen.
    »Ich sagte dir ja, ich bin nur für ein paar Tage hier.«
    »Das ist nicht mehr von Bedeutung, glaube ich…«
    Ich blickte auf die feingliedrigen, braungebrannten Hände, die auf dem Lenkrad lagen. Wie außerordentlich schön er war! Es war gefährlich, ihn anzusehen. Vertraute Regungen kehrten zurück, stimmten mich weich, sentimental und wehrlos. Ich schluckte.
    »Ich weiß das ebensowenig wie du.«
    Der Motor brummte gleichmäßig. Die Scheinwerfer tanzten über den schwarzen Straßenbelag. Andere Lichter kamen uns entgegen, Lastwagen rasten vorbei, wirbelten Staub auf. Das Summen der Reifen klang wie entferntes Rauschen. Hinter der Windschutzscheibe war der Himmel von einem wunderbaren Saphirblau. Die 249
    Basaltkegel des Assekrem ragten wie schwarze Türme auf. Nach einer Weile schwang sich die Straße in leichtem Bogen über eine Kuppe, und plötzlich stand wie eine Theaterkulisse der Hadrian-Berg vor uns und begrenzte die Hochebene. Eine kupferne Mondsichel hing über der Felswand, kaum groß genug, um einen schwachen silbernen Schimmer auszustrahlen. Dafür schwärmten die Sterne wie funkelnde Ringe von Horizont zu Horizont. Elias brach erneut das Schweigen.
    »Ich habe vergessen, dir zu sagen, wie einsam ich war.«
    »Das hast du mir in deinem Brief geschrieben.«
    »Habe ich das?«
    Ich warf ihm einen Seitenblick zu.
    »Was soll ich bloß mit dir anfangen?«
    Er seufzte.
    »Du mußt wissen, manchmal bedeutet mir das Leben sehr wenig.
    Eine Zeitlang war meine Geistesverfassung nicht gerade gut.«
    »Und? Hat sie sich jetzt gebessert?« fragte ich, so daß er mich verstand. Ich hörte ihn leise in der Dunkelheit lachen.
    »Mir geht es wieder glänzend«, sagte er.
    Endlos und geheimnisvoll lag der Himmel über der Stadt mit ihren blinkenden Lichtern, ihrem Staub und Verkehr; der Toyota fuhr am Hotel vorbei, wo soeben der Flughafenbus mit seiner Ladung koreanischer Geschäftsleute eingetroffen

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