Wuestenmond
Allerdings ist es für sie nicht so einfach. Für gewöhnlich treffen wir unsere Entscheidung selbst.
Immerhin ist die Unterstützung der Eltern wichtig. Und die der Verwandten auch. In materieller Hinsicht, meine ich. Bis zu zwanzig Kamele müssen als Brautpreis aufgebracht werden. Kamele sind das Wertvollste, was wir haben; mit Ziegen macht man sich lächerlich.
Alle Kamele gehören dann der jungen Frau. Und wenn wir ihr keinen Schmuck und keine Kleider schenken, wird sie böse und sieht uns nicht mehr an.«
»Hast du zwanzig Kamele, Elias?«
»Nein, nur drei. Folglich kommt für mich eine junge Frau nicht in Frage. Sie würde mich sofort an die Luft setzen.«
Ich blickte ihn fest an.
»Ich sage dir was: Ich an ihrer Stelle würde es mir gut überlegen.«
Er legte beide Arme um meine Taille, preßte mich an sich. Ich erschauerte, magisch angezogen von seiner Wärme, dem Geruch seiner Haut. Er atmete meinen Atem ein. Er sog die Luft tief aus meinem Zwerchfell, so wie manche Männer Tabakdunst inhalieren.
Es war unglaublich erregend. Das Blut stieg mir in die Wangen, in den Hals. Ich hörte sein Herz so deutlich, als komme das Pochen aus meiner eigenen Brust.
252
»Ich habe immer an dich gedacht«, sagte er leise.
Ich rieb mein Gesicht an seiner Brust.
»Ich auch. Jeden Tag.«
Ich wollte dich vergessen, dachte ich. Ich habe mich so angestrengt, es ging fast über meine Kräfte. Ich sagte rauh:
»Darauf war ich überhaupt nicht gefaßt, verstehst du?«
Seine Brauen streichelten die meinen.
»Manchmal glaube ich, es ist alles nicht wahr.«
»Nichts ist wahr«, sagte ich. »Wir haben das alles erfunden.«
Ich fiel gegen die Wand; er hielt meine Hände mit seinen Handflächen fest. Er drückte mich an sich mit seiner ganzen Kraft, preßte mich gegen seinen Bauch. Wir taumelten. Ismain hantierte ein paar Schritte von uns entfernt in der Küche; es störte uns nicht. Erst als er den Kopf aus der Tür steckte, trennten wir uns. Das Essen sei bereit, sagte er. Wir tauschten ein schwaches Lächeln und gingen ins Wohnzimmer, wo der kleine Fuad das Kupferbecken an den Tisch schleppte, dazu ein vertrocknetes Stück Seife und ein Handtuch. Wir seiften uns die Hände ein; nach Art der Tuareg tat es Elias sehr lange und gründlich, wobei er den Seifenschaum mit kreisenden Bewegungen wie eine Creme einmassierte. Fuad starrte uns mit Kulleraugen an und wartete, bis er das warme Wasser über unsere Hände schütten konnte.
Kurz darauf brachte Ismain eine große Schüssel Kuskus. Der gedämpfte Weizengries war mit verschiedenen Gemüsen und zerriebenen Pfefferschoten gemischt, sehr scharf, nach algerischer Art. Dazu gab es Hammelfleisch, mit Kümmel und Koriander gewürzt. Ich hatte im Flugzeug kaum etwas zu mir genommen und war hungrig. Ich genoß das Brennen des Pfeffers in meinem Mund, das sich nur mit kühler Milch beruhigen ließ. Elias aß kaum etwas, es fiel mir erst nachträglich auf.
»Auch hier in Tarn«, fragte ich, »trägst du immer die Kleidung der Tuareg?«
»Immer«, erwiderte er ernst. »Und du weißt ja, mein Vater trug sie auch. Als Provokation, sozusagen.«
»Ich sehe schon.«
»Ich kann es nicht lassen«, sagte er. »Das ist eine Veranlagung.«
Wir lächelten einander zu. Seine Augen zogen sich leicht zusammen.
Wir begehrten einander, das vergaßen wir beide nicht, keinen Atemzug lang.
»Sag mir, wie du es ausgehalten hast.«
253
Ich drückte das Glas an meine Wange.
»Indem ich gearbeitet habe. Der Film ist fertig. Uraufgeführt wird er in Venedig. Dann kommt er im Fernsehen. Meine Produzentin macht die Presse mobil und besorgt mir eine Talkshow bei TF eins.«
Ich erzählte von dem, was mir bevorstand, und sprach auch von Fantine.
»Auf den ersten Blick wirkt sie spröde. Unberührt vom Erfolg bleibt niemand, weißt du. Sie wird an meinem Film ohnehin über Gebühr verdienen. Aber bei ihr bleibt es nicht bei Bezeugungen guten Willens. Sie unterstützt uns wirklich. Sie kennt le Tout-Paris, wie man so schön sagt. Auch Leute von der Politik, die Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen. Darunter sind nicht nur Snobs.
Könntest du nicht nach Frankreich kommen? Deine Sache vor den Medien vertreten? Du wirkst überzeugender als ich.«
Er schüttelte grimmig den Kopf.
»Weißt du, was man hier sagt? ›Das Ansehen ist wie ein Ei, es zerbricht nur einmal.‹«
»Was hast du denn diesmal wieder angestellt?«
»Ich stelle immer etwas an, ob ich will oder nicht. Die Sache mit meinem
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