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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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an.
    »Wann fährst du?« fragte sie.
    Es regnete; Tropfen hingen zitternd an den Scheiben.
    »Morgen früh. Ich bin etwas aufgeregt. Eigentlich weiß ich nicht genau, warum ich gehe.«
    Eine Windböe schlug an das Fenster, irgendwo klirrte ein Ziegel.
    »Wenn du dort bist, wirst du es wissen.«
    Sie schien in guter Verfassung zu sein. Vielleicht war das nur ein Eindruck, und ein falscher dazu, aber anscheinend ging es ihr gut.
    Ich sagte:
    »Ich weiß es nicht. Ich erwarte nicht zuviel von dieser Sache.«
    »Du verstehst nichts davon«, erwiderte sie mit Bestimmtheit.
    Ich sah ihr Gesicht vor meinem inneren Auge: die feine und helle Haut, die Falten um den Mund, die mandelförmigen Augen. Das Gesicht einer Frau, die ich seit vielen Jahren anders in Erinnerung hatte. Doch am Ende war sie dieselbe, hatte ihr Gesicht von früher zurückgewonnen; als kleines Mädchen hatte ich sie mit diesem Gesicht erlebt, ihre Begeisterung gekannt, ihre Jugend, ihren Mut.
    Sie hatte mir im Augenblick nichts anderes zu geben als diese Erinnerung. Das ist wahrhaftig etwas, dachte ich, ist eigentlich genug. Sie schüchterte mich ein, weil sie ihren Weg gegangen war und ich den meinen noch suchte; sie konnte auch heftig sein, aber ohne Bosheit oder Grausamkeit. Und vor allem: Sie war meine Mutter.
    Ich sagte zu ihr:
    »Die Sache, die du vorhast, ist es dein wirklicher Ernst? Nicht, daß du plötzlich deine Meinung änderst…«
    »Nein. Ich habe ihm schon gesagt, daß ich komme.«
    Es lief mir kalt über den Rücken.
    »Wem hast du es gesagt, Olivia?«
    Ich hatte sehr laut gesprochen. Der Wind heulte, die Verbindung war undeutlich. Olivias Stimme drang an mein Ohr aus unbestimmten, rauschenden Fernen.
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    »Wem? Dumme Frage! Chenani natürlich.«
    Als ich zu Bett ging, regnete es stärker. Meine Reisetasche war gepackt: Wäsche, Wollsocken, drei T-Shirts, eine Biker-Jacke aus schwarzem Leder und eine Hose mit großen Taschen zum Wechseln.
    Geschenke waren auch dabei: Pulverkaffee, verschiedene Parfüms, ein Pullover für Elias, den er unter der Gandura tragen würde. Für Zara hatte ich eine Kette aus Bernstein gekauft, in der Farbe ihrer Augen, walnußbraun, mit einem orangenen Schimmer. Ich würde nur mit einer leichten Videokamera reisen, für alle Fälle. Letztlich war meine Arbeit beendet; aber vielleicht war die Arbeit genau das, worum es in meinem Leben ging.
    Lange Zeit lag ich still, lauschte auf das Prasseln des Regens. Ich versuchte vor mich hin zu dämmern, vermochte aber nicht zu sagen, was Schlafen und was Wachen war. Die Stunden vergingen, und ich träumte. Ich hörte mich reden und wachte schlagartig auf. Ich öffnete die Augen und erblickte erstaunt eine Frau. Ganz still stand sie vor dem Fenster und schaute auf mich herab. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, nur die schwarzen Umrisse ihrer Gestalt, die sich reglos in der Dunkelheit abhob; gleichzeitig bemerkte ich, daß das Fenster am falschen Ort war; also drehte ich mich ein wenig zur Seite und konnte sie besser sehen. Etwas in ihrer Haltung, in der Art, wie sie stumm vor mir stand, strömte Ruhe aus, eine wunderbare, unwiderstehliche Ruhe.
    »Amenena«, sagte ich.
    Ihr Kopf deutete eine Bewegung an. Ich hatte den Eindruck, als würde sie sich im nächsten Atemzug auflösen. Ihre Gewänder leuchteten tiefblau, mit einem leicht brüchigen Glanz, so daß sie wie Metall schimmerten; wie die Flügel eines Skarabäus, dachte ich. Ihr Gesicht konnte ich nicht sehen, aber die ganze Erscheinung war gebieterisch. Sie trug ein schweres, rautenförmiges Brustgeschmeide. Ich sah das Silber im Rhythmus ihrer Atemzüge aufleuchten. Ich hatte sie schon so oft im Traum erlebt, daß mir ihre Erscheinung vertraut war. Doch zum ersten Mal hörte ich ihre Stimme; sie war sanft und kühl und klangvoll wie Quellwasser.
    »Ich bin nicht mehr schön, ich bin alt. Ich mache mir Sorgen. Mein Volk ist schwach, die Schlange spricht nicht mehr. Das ist ein Geheimnis, die Mutter lehrt es die Tochter, wie es sich gehört. Ich –
    ich habe nur einen Sohn. Ich warte auf eine Frau, die ein Teil von mir ist. Wann wird sie dasein?«
    »Sie ist unterwegs«, antwortete ich.
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    Ihr Gesicht lag in tiefem Schatten.
    »Du mußt verstehen«, sagte sie. »Mir bleibt nicht viel Zeit.«
    Die Gestalt verschwand nicht plötzlich, sondern verschmolz nach und nach mit der Dunkelheit. Ich legte mich wieder hin und schlief ein, doch nicht lange. Die Morgenfrühe kam mit Nebel. Ich setzte mich auf, hielt den Kopf

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