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Wuestenmond

Wuestenmond

Titel: Wuestenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Vater, die ist noch nicht vergessen. Mir könnte man verzeihen, wenn ich mich besser anpassen würde. Aber mein Rücken ist stärker geworden als die Stöcke, die an ihm abgenutzt wurden.
    Ich bin nicht der einzige Targui, der nie in die Moschee geht, bloß wäre mein Vater um ein Haar Amenokal geworden. Das ist das Problem: Ich gebe ein schlechtes Beispiel. Mein Paß ist abgelaufen, ich habe nur den Wehrpaß, und mit dem komme ich über keine Grenze. Ein neuer Paß wird mir nicht ausgestellt, auch kein Visum.
    Es sei denn, illegal natürlich. Ich müßte ein Kamel verkaufen…«
    »Dann hast du nur noch zwei und findest nie eine Frau.«
    »Stimmt, hatte ich vergessen.«
    Wir sahen einander an und fingen an zu lachen. Doch wir konnten nicht lange unbeschwert sein. Der Schmerz hatte sich in uns festgesetzt, wir behielten ihn unaufhörlich im Sinn.
    »Ich habe so was noch nie erlebt.« Elias sprach leise und bitter. »Ich kann nichts für dich tun, nicht das geringste. Weißt du, was du machen solltest? Das ganze Zeug fallenlassen. Alles geht sowieso in die Brüche. Du hast Wichtigeres zu tun.«
    Ich starrte ihn an.
    »Meinst du das im Ernst?«
    »Zu was bin ich eigentlich nütze? Ich sitze hier fest, das ist alles. Wir 254
    haben ein Sprichwort: ›Ein einziger dummer Mann ruiniert zwei Familien.‹«
    »So etwas Idiotisches hab ich mein Leben noch nicht gehört! Du und ich, wir kämpfen, jeder an seinem Platz. Wir können es schaffen, ich hab’s dir gleich gesagt.«
    Er holte gepreßt Atem.
    »Das ist nicht richtig. Du rackerst dich ab, und ich sehe zu.«
    »Zusehen muß nicht immer schlimm sein.«
    »Doch. Es ist eine Sache, die meiner Natur vollkommen zuwiderläuft, ganz und gar. Wenn ich trinken würde, ich würde mir jetzt bestimmt einen ansaufen. Ich schäme mich sehr.«
    Ich wurde allmählich böse.
    »Hör auf, Elias! Du vergißt eine Kleinigkeit: Ich bin zur Hälfte Targuia, irgendwie macht sich mein Blut bemerkbar. Ich habe Spaß an der Sache und werde allmählich hartgesotten. Eine verlorene Möglichkeit kommt nie wieder.«
    Er lächelte jetzt, schon wieder etwas ruhiger.
    »Vielleicht hast du recht.«
    »Natürlich habe ich recht.«
    Er streichelte mein Haar.
    »Solange wir kämpfen, ist Hoffnung berechtigt. Ich werde also noch nicht zur Flasche greifen.«
    Ich lächelte nun auch.
    »Wir sind verrückt, alle beide. Sag doch, was kann es schon ausmachen?«
    »Es tut mir leid«, sagte er, »es tut mir leid, daß wir verrückt sind.«
    »Sobald die Verrücktheit ein Ausmaß erreicht, wie jetzt für uns, lohnt sich kein Rettungsversuch mehr.«
    Wir fingen an zu lachen. Ich sagte mit großer Zärtlichkeit:
    »So ist es eben, Elias. Mittlerweile blicke ich durch. Ich habe viel gelernt von dir. Auf alle Fälle wird mir keiner einen Maulkorb verpassen. Hörst du mir überhaupt zu?«
    Seine sanften Finger glitten durch mein Haar.
    »Nein. Ich liebe dich.«
    »Du solltest aber zuhören. Ich habe noch eine Nachricht für dich. Sie betrifft Olivia.«
    Er sah auf einmal ein wenig erschrocken aus.
    »Ja, was ist mit ihr?«
    »Sie kommt zurück, Elias.«
    »Zurück in die Sahara?«
    255
    »Zurück zu dir, um genau zu sein. Ich habe ihr von deiner Schule erzählt. Sie wird dir helfen, die Kinder zu unterrichten.«
    Er sog kurz und heftig die Luft ein.
    »Was sagst du da? Olivia…? Was hat sie dazu gebracht?«
    Meine Kehle wurde plötzlich eng.
    »Ich habe ihr den Film gezeigt. Die Bilder haben irgendwas bei ihr ausgelöst. In genau fünfundvierzig Minuten. Die Wüste… sie war immer nahe dran. Sie hat nie versucht, davon loszukommen. Sie Sache hat nichts mit Logik zu tun, Olivia ist sehr andersartig. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Sie hat ein anderes Zeitgefühl.
    Es ist wie ein Traum, aus dem sie erwacht.«
    Er nickte.
    »Ja, ich verstehe.«
    »Sie hat also diesen Entschluß gefaßt. Sie weiß genau – erst recht nach dreißig Jahren –, daß Heldenmut erforderlich ist, um so was zu tun. Aber sie kommt.«
    Er schüttelte den Kopf, halb lächelnd, halb von Rührung überwältigt.
    »Jedenfalls nehme ich sie beim Wort, das kannst du ihr sagen. Und was macht sie inzwischen?«
    »Ihre Bronchien kurieren und Tifinagh üben.«
    »Die Wüstenluft ist gut für die Bronchien. Und eine bessere Lehrerin gibt es auf der ganzen Welt nicht.«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Aber du und Olivia, ihr seid euch genaugenommen sehr ähnlich. Ich habe mir mit der Zeit meinen Reim darauf gemacht, nämlich, daß sie

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